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Ambassador

Bezeichnung für den Gesandten Frankreichs, den wichtigsten ständigen Vertreter der internationalen Diplomatie in der alten Eidgenossenschaft. 1522 richtete der französische König Franz I. zusätzlich zu den vom 15. Jahrhundert an eingesetzten ausserordentlichen Gesandtschaften eine ständige Vertretung in der Eidgenossenschaft ein, die zunächst ohne feste Wohnsitznahme den Tagsatzungen nachreiste. Der erste ordentliche Gesandte, Louis Daugerant de Boisrigaut, liess sich 1530 im katholisch gebliebenen, schon vorher relativ frankreichtreuen Solothurn nieder. Von dort aus organisierte er die Werbung von Schweizer Söldnern. 1552-1792 war die Ambassade im ehemaligen Franziskanerkloster (Neubau 1717-1724 von Franz Beer von Blaichten) eingemietet. Von Solothurn aus nahm der Ambassador des öftern auch die Interessen der französischen Krone in Graubünden, Wallis, Neuenburg und dem Fürstbistum Basel wahr; in Genf übernahmen diese Aufgabe zunächst Sondermissionen und Genfer Bürger, 1679-1798 ein ständiger Resident.

Der Unterhalt einer kostspieligen permanenten Gesandtschaft rechtfertigte sich für die französische Krone durch die mit dem Ewigen Frieden von 1516 und der Allianz von 1521 etablierten und später oft in Frage gestellten besonderen Beziehungen mit der Eidgenossenschaft (Allianzen). Auch verlangte der Stellenwert des Landes als Schauplatz der internationalen Diplomatie nach einer ständigen Vertretung. Frankreich hatte grundsätzliches Interesse an einer stabilen, innerlich geeinten Eidgenossenschaft. Der Ambassador nahm deshalb – meist vermittelnd – stark Einfluss auf innereidgenössische Angelegenheiten. Grundsätzlich war die Wahrung der Interessen Frankreichs in diesem komplizierten Staatenbund selbst für erfahrene Diplomaten wie Jean-Louis d'Usson de Bonnac (1727-1736) keine einfache Aufgabe. Nach der von Charles-François de Vintimille Du Luc herbeigeführten Sonderallianz von 1715 (Trücklibund) bildete die Erneuerung der Gesamtallianz die Hauptaufgabe des Ambassadors, ein Ziel, das erst 1777 erreicht wurde. Nachher verlor die Ambassade aufgrund der internationalen Lage für Frankreich an Bedeutung. Sie geriet nach 1790, während der Amtszeit von Charles Olivier de Vérac, unter den Einfluss der in Solothurn zahlreich vertretenen Emigranten, so dass François de Barthélemy 1792 den Mietvertrag für den Ambassadorenhof kündigte. Die französische Gesandtschaft residierte in der Folge bis 1795 in Baden, bis 1798 in Basel. Seit 1799 hat sie ihren Sitz in Bern.

Residenz des Marquis de Vergennes in Solothurn. Zeichnung von Lorenz Ludwig Midart, Stich 1779 von Christian von Mechel (Zentralbibliothek Solothurn).
Residenz des Marquis de Vergennes in Solothurn. Zeichnung von Lorenz Ludwig Midart, Stich 1779 von Christian von Mechel (Zentralbibliothek Solothurn). […]

Die Einflussnahme des Ambassadors auf die solothurnische Politik bildet ein zentrales Thema der Geschichte dieses Kantons, der sich – bedingt auch durch familiäre Bande (Dolmetscherstellen) – teils zum unverhohlenen Fürsprecher französischer Interessen machte, teils auch, insbesondere nach dem Ende der Familienherrschaft Besenval, mehr auf Eigenständigkeit bedacht war. Zweifellos war aber der Ambassadorenhof gesellschaftliches und kulturelles Zentrum der Aarestadt, die sich noch heute gerne Ambassadorenstadt nennt. Der im Volk durch seine pompös inszenierten Festivitäten und seine Freigebigkeit beliebte Bassidor stammte meist aus dem höheren Adel, und seine Hofhaltung erinnerte an einen kleinen Fürstenhof. Das Personal der Ambassade machte im 18. Jahrhundert mindestens 100 Personen aus. Die wichtigsten Funktionäre waren der für die Pensionen zuständige Tresorier général des Ligues Suisses et Grisons, der Sekretär, der des öftern als Geschäftsträger amtete, der Kanzler, sechs Dolmetscher und Geheimsekretäre. Ferner umfasste die Gesandtschaft eine unbekannte Zahl von gewöhnlichen Schreibern und Kurieren.

Quellen und Literatur

  • E. Rott, Inventaire sommaire des documents relatifs à l'histoire de Suisse conservés dans les archives et bibliothèques de Paris et spécialement de la correspondance échangée entre les ambassadeurs de France aux ligues et leur gouvernement (1444-1700), 5 Bde., 1882-94
  • «Suisse», in Recueil des instructions données aux ambassadeurs et ministres de France 30, 2 Bde., hg. von G. Livet, 1983
  • E. Rott, Histoire de la représentation diplomatique de la France auprès des cantons suisses, de leurs alliés et de leurs confédérés, 10 Bde., 1900-35
  • SolGesch. 1, 424-440; 2-3
  • D. Schneller, Der Ambassadorenhof in Solothurn, 1993
Weblinks

Zitiervorschlag

André Schluchter: "Ambassador", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.07.2001. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/028697/2001-07-09/, konsultiert am 29.03.2024.