de fr it

Militärunternehmer

Der Militärunternehmer nahm in der Kriegsverfassung vom Hochmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine zentrale organisatorische Funktion wahr. Als privater Unternehmer bot er den Herrschaftsträgern, Kriegsherren genannt, Truppen gegen Bezahlung an. Der Vertrag, in dem die Leistungen vereinbart wurden, hiess Privat- oder Standeskapitulation, je nach dem, ob der Militärunternehmer diesen eigenhändig oder durch seine heimatliche Obrigkeit vertreten abschloss. Zwei Ausprägungen des Militärunternehmertums sind bekannt: Bis etwa 1550 hoben die Anführer – wie die italienischen Condottieri – ein Heer auf eigenes Risiko aus und vermieteten dieses dem Meistbietenden; bereits ab 1450 bildeten Militärunternehmer ihre Einheit auch im Auftrag des Kriegsherrn. Die letztere Geschäftsform war die in der damaligen Eidgenossenschaft übliche. Nach beiden Modellen blieb der Militärunternehmer Eigentümer seines Verbandes, über den er nach Belieben verfügte.

Vom 13. Jahrhundert an deckte das Lehensaufgebot den Bedarf an Kriegstruppen nicht mehr und professionelle Söldnerheere wurden immer gefragter (Reisläufer). Bereits vor, vor allem aber nach den Burgunderkriegen brachte der gute Ruf der eidgenössischen Krieger den Schweizer Militärunternehmern Werbeaufträge zahlreicher europäischen Herrscher ein (Fremde Dienste). Da die Militärunternehmer bis zur Einführung der stehenden Heere um 1650 auch Kreditoren ihrer Auftraggeber waren, den Schweizern aber die Beziehungen zu den Kapitalgebern fehlten, stiegen sie nicht zu Grossunternehmern auf. Mehr als vier Kompanien besass keiner gleichzeitig.

Nach 1650 veränderte sich das Solddienstgeschäft. Bewaffnung und Kleidung wurden vom Kriegsherrn bestimmt und die neuen Kriegstechniken verlangten Ausbildungsdrill und konsequenten Dienstbetrieb (Kriegführung). Die Auftraggeber bevorschussten nun die Werbungen der Militärunternehmer und griffen öfter reglementierend und gewinnmindernd in die innere Struktur der eidgenössischen Standesregimenter ein. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren die meisten Eigentümerkompanien überschuldet oder verpfändet, sodass ihre Verstaatlichung von den Militärunternehmern auch als Befreiung empfunden wurde.

Militärischer Führer als Unternehmer

Der Lochmann-Saal aus dem Haus Zum Langen Stadelhof, der abgebaut und im Landesmuseum Zürich 1897 vollständig wiederaufgebaut wurde. Fotografie, 1970 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich).
Der Lochmann-Saal aus dem Haus Zum Langen Stadelhof, der abgebaut und im Landesmuseum Zürich 1897 vollständig wiederaufgebaut wurde. Fotografie, 1970 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich). […]

Das Berufsbild des Militärunternehmers ist geprägt durch die Doppelrolle als Unternehmer und Offizier. Er warb die Rekruten, organisierte den Geschäftsbetrieb der Einheit und führte sie auf dem Kriegszug. Der Inhaber der Kompanie war vom 17. Jahrhundert an aber nicht mehr immer auch deren Eigentümer, sondern oft nur Pächter, d.h. Subunternehmer. Als im 18. Jahrhundert die Kosten der Truppen stiegen, schlossen sich mehrere Militärunternehmer zu Miteigentümern einer Einheit zusammen. Der bescheidene Wohlstand in der Schweiz definierte nun die Halbkompanie zur Regelform des militärischen Unternehmens. Bereits im 16. Jahrhundert betreuten professionelle Agenten, meist Subunternehmer des Militärunternehmers, die Werbung der Kompanien. Oft waren es Familienangehörige des Hauptmanns, deren Verhandlungsgeschick und Umgang mit den Dienstwilligen zum wirtschaftlichen Erfolg des Militärunternehmers beitrugen. Üble Werbetricks der Agenten halfen nach, wo die Kontingente allein mit Überredungskunst nicht mehr zu füllen waren. Die Investitionen in das Kriegsgeschäft konnten sehr rentabel sein, allerdings war das Verlustrisiko entsprechend hoch. Schweizer Militärunternehmer neigten eher zu grossen Sicherheiten und kleinen Gewinnen. Nur etwa 10% suchten die riskanten Gewinne in nicht avouierten, d.h. von den Obrigkeiten nicht bewilligten Kompanien. Üblicherweise wandelten die Militärunternehmer ihre Privatkapitulation mit dem Kriegsherrn so bald als möglich mittels Avouierung in eine Standeskapitulation des Heimatortes um, die ihnen neben dem Werbeprivileg auch Rechtsschutz bei Vertragsbrüchen des Kriegsherrn bot. Die Voraussetzungen der Avouierung waren Land- oder Bürgerrecht und Immobilienbesitz im Ort.

Die Einnahmen des Militärunternehmers setzten sich aus der Soldpauschale auf dem effektiven Mannschaftsbestand, aus Gratifikationen, Schlachtensold, Zinsen für Vorschüsse, Einkünften aus dem Marketendergeschäft und aus der Kriegsbeute zusammen. Der Mannschaftssold dominierte die Ausgabenseite, daneben mussten Werbeunkosten und Verluste aus Währungsdifferenzen gedeckt werden. Auch Bestechungsgelder, Zinsen auf Darlehen und Quartierkosten belasteten den Kompanie-Etat. Die grössten Geschäftsrisiken stellten nicht kriegerische Einsätze, sondern Desertionen, Seuchen und Vertragsbrüche des Kriegsherrn dar. Der Gewinn des Hauptmanns betrug bis 1650 ein Mehrfaches seiner Investitionen, um 1700 belief er sich auf 18% und um 1750 nur noch auf 12% seiner Investitionen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts arbeitete der Militärunternehmer meist defizitär.

Soziale Herkunft und Karrieren

Noch um 1500 stand das Militärgeschäft allen risikobereiten Glücksrittern offen, wobei Adelige über die besten Startbedingungen verfügten, rekrutierten sie doch aus der eigenen Gefolgschaft. Mit der Abschliessung des Patriziats verringerten sich für bürgerliche Aufsteiger die Möglichkeiten einer militärischen Karriere. Die Kompanien in den Standesregimentern blieben den regierenden Geschlechtern vorbehalten. Das geteilte Eigentum an den Kompanien öffnete auch ärmeren Patriziern den militärischen Aufstieg, da die Übernahme eines Regiments den Kompanieeigentümern vorbehalten war. Im 16. und 17. Jahrhundert verliefen der wirtschaftliche, der militärische und der politische Aufstieg der Militärunternehmer meist parallel. Ihre Kenntnisse eigneten sie sich in der Praxis an. Die Laufbahn begann auch für den Schweizer Militärunternehmer als Höfling an einem Fürstenhof. Später trat er als Kadett in die Familienkompanie ein, übernahm die Werbung für diese und hatte mit etwa 35 Jahren genügend Erfahrungen gesammelt, um die Kompanie unternehmerisch und taktisch zu führen. Der Trend zum Familienunternehmen setzte schon im 16. Jahrhundert ein. Das gesamte Unternehmen wurde von Generation zu Generation vererbt und trug nicht wenig zur Abschliessung der eidgenössischen Oberschichten bei. Die meisten Familien stellten ab dem 17. Jahrhundert Hauptleute aus Tradition. Damit wurde der Fremdendienst zur Karriereplattform für die Rats- und Ämterlaufbahn in der Heimat. Alternde Kompanieinhaber liessen zwar ihre Kompanien durch jüngere Subunternehmer führen, blieben aber deren Eigentümer, während sie zu Hause die eigene politische Karriere betrieben.

Staatliche Kontrolle des Kriegsunternehmertums und dessen Niedergang

Ein signifikantes Merkmal der eidgenössischen Kriegspolitik ab 1500 war das Auftreten der Obrigkeiten als Solddienstanbieter auf dem europäischen Markt. Damit konkurrierten sie die privaten Militärunternehmer, lösten aber auch einen obrigkeitlichen Kontrolldruck auf das Geschäft aus. Mittels Standeskapitulationen und Werbepatenten versuchten sie, die Aktivitäten der Militärunternehmer mit ihren Absichten im Kriegsgeschäft in Übereinstimmung zu bringen. Das herrschaftliche Interesse hinter der Kontrolle richtete sich auf die Erhaltung der Kompaniepfründen für die Ratsfamilien, die Vermeidung aussenpolitischer Verwicklungen und die Sicherung der wirtschaftspolitisch lukrativen Pensionen. Mit Mandaten wollten die Regierungen vor allem nichtbewilligte Werbungen verhindern, aber erst im 18. Jahrhundert kontrollierten Werbe- oder Rekrutenkammern die effektive Einhaltung derselben. Die Werbekammern waren auch mit Gerichtsaufgaben betraut, etwa bei Besoldungs- und Beförderungskonflikten. Bis dahin hatten die Landvögte meist willkürlich die Einhaltung der Werbepatente und Reislaufverbote kontrolliert.

Neue Kriegstechniken verlangten nach Senkung der Kompanie-Sollbestände und moderne Waffen nach Exerzierdrill. Ersteres schränkte die Gewinne des Militärunternehmers massiv ein und Letzteres schreckte Werbewillige ab, was zu Steigerungen bei den Werbekosten führte. Nicht zuletzt sinkende Monatssolde im Kriegsdienst und steigende Löhne in der Verlagsindustrie trockneten den Söldnermarkt in den protoindustrialisierten Regionen im 18. Jahrhundert aus. Die Reihen füllten vermehrt deportierte Sträflinge und kriegsuntaugliche Soldaten, weshalb das Vertrauen der Kriegsherren in die Eigentümerkompanien schwand. Endgültig überlebt hatte sich die Institution des Militärunternehmers, als nach der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen immer mehr Staaten die Söldner- durch Wehrpflichtheere ersetzten.

Quellen und Literatur

  • H. Suter, Innerschweiz. Militär-Unternehmertum im 18. Jh., 1971
  • H. Steffen, Die Kompanien Kaspar Jodok Stockalpers, 1975
  • W. Bührer, Der Zürcher Solddienst des 18. Jh., 1977
  • W. Pfister, Aargauer in fremden Kriegsdiensten, 2 Bde., 1980-84
  • G. de Meuron, Le régiment Meuron 1781-1816, 1982
  • V. Ruckstuhl, Aufbruch wider die Türken, 1991
  • H. Romer, Herrschaft, Reislauf und Verbotspolitik, 1995
  • B. Koch, «Kronenfresser und dt. Franzosen», in SZG 46, 1996, 151-184
  • Gente ferocissima, hg. von N. Furrer et al., 1997
  • J. Steinauer, Patriciens, fromagers, mercenaires, 2000
  • Schweizer in "Fremden Diensten", hg. von H.R. Fuhrer, R.-P. Eyer, 2005
Weblinks

Zitiervorschlag

Hermann Romer: "Militärunternehmer", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.11.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/024643/2009-11-10/, konsultiert am 28.03.2024.