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Parteien

Parteien sind Organisationen von Bürgerinnen und Bürgern, die sich die Durchsetzung gemeinsamer politischer Vorstellungen im Staatswesen zum Ziel gesetzt haben, wobei sie sich teils auf Weltanschauungen und Ideologien stützen, sich teils aber auch als Interessenvertreter bestimmter sozialer oder wirtschaftlicher Gruppen, Schichten oder Klassen verstehen. In der Demokratie nehmen die Parteien eine intermediäre Stellung zwischen Bürger und Staat ein. Sie prägen die politischen Einstellungen mit und integrieren Bürger in das politische System. Sie formulieren politische Programme und Stellungnahmen zu Sachfragen für die Medien und Behörden, rekrutieren und schulen Kandidaten für öffentliche Ämter und führen auf allen drei staatlichen Ebenen der Schweiz Wahl- und Abstimmungskämpfe. Rechtlich sind die Parteien in der Schweiz als Vereine organisiert.

Das Parteiensystem auf Bundesebene von 1830 bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Konstitutiv für die Parteibildung waren wie in anderen Ländern Westeuropas die soziokulturellen und sozioökonomischen Konfliktlinien (cleavages) zwischen Zentrum und Peripherie, Kirche und Staat, Arbeit und Kapital sowie Stadt und Land im 19. und 20. Jahrhundert. Die Entstehung der Nationalstaaten schuf neue kulturelle und sprachliche Minderheiten in Opposition zur dominierenden Kultur und führte in der Schweiz zu Auseinandersetzungen über die Stellung der Kantone und der Kirchen in Staat und Gesellschaft, die sich in der Gründung liberaler und konservativer Parteien äusserten. Als Folge der Industrialisierung und Urbanisierung bildeten sich auf der linken Seite sozialistische Parteien, welche sich im Namen der Arbeiter für die Reform oder den Umsturz des kapitalistischen Wirtschaftssystems einsetzten. Bauernparteien forderten Massnahmen zum Schutz der Landwirtschaft, die in der wachsenden Industriegesellschaft an Bedeutung verlor. Die Parteien reflektierten nicht nur die Konfliktlinien, sondern trugen auch zu deren organisatorischen Stabilisierung und ideologischen Verfestigung bei. Für die mehrsprachige und multikonfessionelle Schweiz war es bedeutsam, dass sich die Konfliktlinien mit den Sprach- und Konfessionsgrenzen nicht deckten. Den sich über diese Grenzen hinweg organisierenden Parteien kam eine integrative Funktion im föderalistischen Bundesstaat zu. Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts weichten sich die alten Konfliktlinien vor dem Hintergrund des Wertewandels infolge der Tertiärisierung, der sich entwickelnden Konsumgesellschaft und der Individualisierung der Lebensstile auf.

Vom Kulturkampf- zum Klassenkampf-Paradigma

Die Ursprünge des heutigen schweizerischen Parteiensystems reichen in die 1830er Jahre zurück. In den Kantonen bildeten sich im Zusammenhang mit den Verfassungskämpfen der Regeneration um einzelne Honoratioren Gesinnungs- und Aktionsgemeinschaften als erste Parteivorläufer, die weltanschaulich in den Strömungen des Liberalismus, des Radikalismus oder des Konservatismus wurzelten. Auf der radikal-liberalen Seite sind die Volks-, National- und Schutzvereine anzuführen, auf der konservativen Organisationen wie den Obereggerverein in St. Gallen oder den Ruswilerverein in Luzern, die 1834 bzw. 1840 gegründet wurden (Vereine). Zweck dieser schwach strukturierten Protoparteien war in erster Linie die Mobilisierung der breiten Bevölkerung in den kantonalen Wahl- und Abstimmungskämpfen.

Auf Bundesebene betraf der Grundkonflikt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Frage der Neugestaltung der Eidgenossenschaft. Die Verfassungskonflikte – seit der Helvetik konkurrierten zentralstaatliche und föderalistische Staatsentwürfe – verbanden sich mit kirchen- und kulturpolitischen Streitpunkten (Verhältnis von Kirche und Staat, Schule, Zivilehe usw.). Es entstand auf der einen Seite die freisinnige Parteifamilie (Freisinnig-Demokratische Partei, FDP), die als Sammelbecken verschiedener Richtungen des Liberalismus und Radikalismus und ab den 1860er Jahren auch die Demokratische Bewegung vereinigte und sich in der Gegnerschaft zum katholischen Ultramontanismus einig war. Die ebenso heterogenen konservativen Parteien schieden sich aufgrund der starken Konfessionalisierung der Politik ab den 1840er Jahren in einen katholischen (Katholisch-Konservative) und einen reformierten Flügel. Die Verfassungs- und Kirchenkonflikte gipfelten 1847 im Sonderbundskrieg (Sonderbund), der mit dem Sieg der Reformer den Weg zur Gründung des Bundesstaats von 1848 freimachte.

Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrschte der siegreiche Freisinn auf Bundesebene das Parlament und den siebenköpfigen Bundesrat. Das Majorzwahlrecht (Wahlsysteme) stützte die Hegemonie der freisinnigen Grossfamilie. Die katholisch-konservative Opposition konzentrierte sich nach 1848 auf die Rückeroberung der politischen Herrschaft in den ehemaligen Sonderbundskantonen Luzern, Freiburg, Wallis, Zug, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden. Der Kulturkampf der 1870er Jahre beschleunigte die Gründung von katholischen Vereinen und Zeitungen, welche zur Basis der katholischen Sondergesellschaft werden sollten, als deren politischer Arm die katholisch-konservative Partei (Christlichdemokratische Volkspartei, CVP) fungierte. Mit der Einführung des fakultativen Referendums auf Bundesebene gelang es der katholisch-konservativen Opposition zusammen mit reformiert-konservativen Parteigruppen wie dem Eidgenössischen Verein (gegründet 1875) oder der Bernischen Volkspartei (1882) sowie föderalistischen Bewegungen in der französischen Schweiz, den regierenden Freisinn unter Druck zu setzen. Die Wahl Josef Zemps zum ersten katholisch-konservativen Bundesrat 1891 war ein grosser Schritt hin zum Kompromiss zwischen Freisinn und politischem Katholizismus.

Diese Annäherung war mit einem Paradigmenwechsel verbunden. Mit der fortschreitenden Industrialisierung traten sozioökonomische Konflikte in den Vordergrund. Erste Arbeiterorganisationen wie der 1838 gegründete Grütliverein liessen sich zunächst vorwiegend dem Linksfreisinn zuordnen; die Verbindung von republikanischem und sozialreformerischem Gedankengut hatten Linksfreisinnige, Demokraten und die Vertreter der frühen Arbeiterorganisationen (Arbeitervereine) lange geteilt. Um die Jahrhundertwende verfolgte die 1888 gegründete Sozialdemokratische Partei (SP) hingegen eine zunehmend klassenkämpferische Politik (Sozialismus). Gleichzeitig grenzte sich das Bürgertum stärker gegen links ab, und der Freisinn blockierte die Wahlrechtsreform. Der Konflikt kulminierte im Landesstreik von 1918, an dem sich allerdings die 1899 ins Leben gerufene christlichsoziale Arbeiterbewegung (Christlichsoziale Bewegung, Christlichnationaler Gewerkschaftsbund der Schweiz) nicht beteiligte.

Karikatur aus der Zeitschrift Der Neue Postillon, April 1899, Nr. 4 (Privatsammlung).
Karikatur aus der Zeitschrift Der Neue Postillon, April 1899, Nr. 4 (Privatsammlung). […]

Die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, in welchem die Bauern sich als Versorger des Landes und als antisozialistisches Bollwerk profilierten, gaben schliesslich zusammen mit dem Proporzwahlrecht den Anstoss zur Gründung von Bauernparteien in Zürich (1917) und Bern (1918). Die Berner Partei, die sich ab 1921 Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) nannte, entwickelte sich rasch zur wählerstärksten Partei des Kantons.

Während die Katholisch-Konservativen sowohl die christlichsozial organisierte Arbeiterschaft als auch die katholisch organisierten Bauern an sich binden konnte, bedeutete die Entstehung der SP und der BGB für den Freisinn den Verlust eines Teils seiner Wählerschaft. Nach der Auflösung des liberalen Zentrums entstand 1913 die Liberale Partei (LP), die in den reformierten Kantonen der Westschweiz sowie im Kanton Basel-Stadt Fuss fasste.

Stabilisierung des Parteiensystems und Etablierung der Konkordanz

Die ersten nach dem Proporzwahlrecht durchgeführten Wahlen brachten 1919 eine massive Verschiebung der parteipolitischen Kräfteverhältnisse. Der bisher dominierende Freisinn verlor die absolute Mehrheit. Es bildete sich das Parteiensystem mit den vier grossen Parteien heraus, das fast das ganze 20. Jahrhundert kennzeichnete. Die FDP und die SP bewegten sich in der Bandbreite von 21-29%, die Konservative Volkspartei erreichte in der Regel 20-23%, die BGB 11-15% der Wählerstimmen.

Die FDP sah sich zur Bildung von Regierungskoalitionen genötigt. 1919 wurde ein zweiter Vertreter der Konservativen Volkspartei in den Bundesrat gewählt, 1929 mit Rudolf Minger erstmals ein Vertreter der BGB. Diese Regierungszusammensetzung widerspiegelte das seit dem Landesstreik von 1918 polarisierte politische Klima, in welchem sich der durch Antikommunismus und Antisozialismus geeinte Bürgerblock und die linke Opposition gegenüberstanden. Die SP trat nach dem Landesstreik klassenkämpferisch auf und avancierte in den 1930er Jahren zur wählerstärksten Partei (1931 28,7%).

Das Proporzwahlrecht förderte weiter die Bildung von Splitterparteien am linken und rechten Rand. 1921 spaltete sich der linke Flügel der SP ab und rief die Kommunistische Partei (KP) ins Leben, die auf nationaler Ebene nie über einen Wähleranteil von 3% hinauskam (Kommunismus). Die KP wurde 1940 verboten und ging 1944 in der neu gegründeten Partei der Arbeit auf. Am äusseren rechten Rand bildeten sich zu Beginn der 1930er Jahre eine Vielzahl von rechtsextremen Fronten, die 1933 erfolgreich an einigen kantonalen Wahlen teilnahmen und dann rasch bedeutungslos wurden (Frontenbewegung).

Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen und faschistischen Bedrohung rückten die grossen Parteien näher zusammen (Geistige Landesverteidigung). Die SP anerkannte Mitte der 1930er Jahre die Notwendigkeit der militärischen Landesverteidigung und strich die «Diktatur des Proletariats» aus ihrem Programm; die bürgerlichen Parteien akzeptierten erste konjunkturpolitische Massnahmen, die bereits in Richtung des späteren sozialmarktwirtschaftlichen Modells deuteten. Mitten im Zweiten Weltkrieg erreichten die Sozialdemokraten 1943 mit Ernst Nobs erstmals den Einzug in die Landesregierung. Damit waren alle vier grossen Parteien im Bundesrat vertreten (3 FDP, 2 CVP, 1 SP, 1 BGB). In der ersten Hälfte der 1960er Jahre erreichte das politische System den Höhepunkt an Stabilität. Die 1959 zu Stande gekommene Zauberformel (2 FDP, 2 CVP, 2 SP, 1 BGB) brachte die auf freiwilligem Proporz basierende Allparteienregierung und symbolisierte die Integration aller grossen Parteien in den Bundesstaat.

Die Stabilität ging mit einer Festigung der parteipolitischen Lager einher, die ihre Wählerbasis in einem breiten Netzwerk von Zeitungen (Presse), Vereinen und Verbänden organisierten. Insbesondere die Konservative Volkspartei und die SP waren in der Zwischenkriegszeit zu Milieuparteien geworden, deren Eliten sich als politische Sprecher einer breit organisierten Subgesellschaft verstanden. Der Parteienproporz in Staat und Gesellschaft war ein zentraler Bestandteil der Konkordanzdemokratie.

Fragmentierung des Parteiensystems und Erosion der Konkordanz

Mitte der 1960er Jahre zeigten sich erste Risse in der Konkordanzdemokratie. Zum Kristallisationspunkt der Opposition gegen das Machtkartell der Zauberformel entwickelte sich zunächst der 1936 gegründete, sozialliberale Landesring der Unabhängigen, der bei den Nationalratswahlen von 1967 mit 9,1% seinen bisher bei ca. 5% liegenden Durchschnittswert weit übertraf.

Die politische Frustration über das verkrustete Konkordanzsystem zeigte sich auch in der starken Zunahme von Basisaktivitäten wie Demonstrationen, Petitionen (Petitionsrecht) oder Volksinitiativen. Neue Soziale Bewegungen wie die Antiatombewegung, die Friedensbewegung (Pazifismus), die Umweltschutzbewegung, die neue Frauenbewegung oder auch die Antiüberfremdungsbewegung (Fremdenfeindlichkeit) verfolgten zunächst eine ausserparlamentarische Oppositionsstrategie.

Ein Einbruch in das traditionelle Parteiengefüge gelang zu Beginn der 1970er Jahre den rechtspopulistischen Überfremdungsparteien. Die Nationale Aktion (NA) und die Schweizerische Republikanische Bewegung profitierten vom Teilerfolg der Schwarzenbach-Initiative (1970) und erreichten in den Nationalratswahlen von 1971 einen Wähleranteil von 7,5%, verloren jedoch in den folgenden Jahren an Schwung. Die Republikaner lösten sich 1989 auf, die NA benannte sich 1990 in Schweizer Demokraten um. Mit der 1985 gegründeten, eine antiökologische und fremdenfeindliche Politik verfolgenden Autopartei (1994-2009 Freiheits-Partei, FP) und der 1991 entstandenen Lega dei Ticinesi erreichten die rechtspopulistischen Splitterparteien 1991 mit 10,9% Wähleranteil einen zweiten Höhepunkt.

Die 1968er Bewegungen und die Neuen Sozialen Bewegungen fassten im Parteiensystem zum Teil über die ursprünglich marxistisch-leninistischen Progressiven Organisationen und die Grünen Parteien Fuss. Einen Erfolg erreichte das stark fragmentierte links-alternative und grüne Lager bei den unter dem Eindruck von Debatten um Waldsterben, Tschernobyl und Schweizerhalle stattfindenden Nationalratswahlen von 1987, bei denen es über 9% der Wählerstimmen auf sich vereinigte.

Die Parteien im National- und Ständerat 1848-2015
Die Parteien im National- und Ständerat 1848-2015 […]

Der Wähleranteil der vier Bundesratsparteien sank von 1963 bis 1991 von über 85% auf gut 69%. Die Sozialmilieus mit dem parteinahen Vereins- und Pressewesen erodierten. Ab den 1970er Jahren versuchten die einstigen «Weltanschauungsparteien» verstärkt, sich als «Volksparteien» zu profilieren und Wähler ausserhalb ihrer Stammwählerschaft anzuziehen. 1970 benannte sich die Konservativ-christlichsoziale Volkspartei in Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) um und distanzierte sich als Partei der Mitte vom Erbe des politischen Katholizismus. Die BGB schloss sich 1971 mit den Glarner und Bündner Demokraten zur Schweizerischen Volkspartei (SVP) zusammen und rückte programmatisch vorerst ebenfalls in die politische Mitte. Die SP wurde parteiintern von klassenkämpferisch, ökologisch, entwicklungspolitisch und feministisch engagierten Strömungen herausgefordert. Divergierende Interessen führten in den 1980er Jahren zu einem einschneidenden Wandel in der Anhängerschaft, in welcher die klassische Arbeiterschaft gegenüber den neuen Mittelschichten an Bedeutung verlor. Die FDP avancierte zwischen 1983 und 1991 mit einem neoliberalen Programm vorübergehend zur wählerstärksten Partei (Neoliberalismus).

Transformation des Parteiensystems um 2000

In den 1990er Jahren erreichten die Wählerwanderungen bisher unübliche Dimensionen. Die SVP, welche sich zu einer nationalkonservativen und rechtspopulistischen Partei wandelte, steigerte ihren Wähleranteil zwischen 1991 und 2007 von knapp 12% auf fast 29%. Es handelt sich dabei um den grössten Umbruch im Parteiensystem seit 1919. Die Mitteparteien CVP und FDP sanken weit unter die 20%-Marke. 2003 erlangte die SVP auf Kosten der CVP einen zweiten Sitz im Bundesrat, was das Ende der Zauberformel von 1959 bedeutete. Um ihre Stellung in der Bundesversammlung zu festigen, schloss sich die CVP 2007 mit der kleinen Evangelischen Volkspartei (gegründet 1919) und der Grünliberalen Partei (gegründet 2007) zu einer Fraktion zusammen. Die FDP fusionierte 2009 mit der LP.

Am linken und am rechten Rand des Parteienspektrums kam es zu Konsolidierungen. Die Splitterparteien der Neuen Linken gingen in der SP bzw. in der Grünen Partei der Schweiz auf, die sich 1991 innerhalb des grünen Lagers durchsetzte. Die rechtspopulistischen Splitterparteien wurden weitgehend von der SVP aufgesogen. Die Nichtwiederwahl des SVP-Bundesrats Christoph Blocher 2007 führte allerdings zu parteiinternen Richtungskämpfen; 2008 spalteten sich gemässigt-konservative Kräfte ab und gründeten die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP).

Merkmale der schweizerischen Parteienlandschaft

Gemeindeautonomie und Föderalismus prägten die Entwicklung der schweizerischen Parteien. Die ersten Parteien entstanden auf kantonaler und kommunaler Ebene (zu den kantonalen Parteisystemen vergleiche die jeweiligen Kantonsartikel); die Gründungen der Bundesparteien erfolgten relativ spät (SP 1888, FDP 1894, Katholische bzw. Konservative Volkspartei 1894 bzw. 1912, BGB 1936). Besonders auf der rechten Seite blieben die Bundesparteien heterogene Dachorganisationen der Kantonalparteien. Um 2000 existierten in der Schweiz 14 nationale Parteien, etwa 180 Kantonalparteien und rund 5000 Ortsparteien. Die Kantonalparteien vertreten in politischen Sachfragen teilweise von ihren Landesparteien abweichende Positionen und sind in regionalen Kontexten verwurzelt. Da auch die Mitglieder der eidgenössischen Räte in kantonalen Wahlkreisen gewählt werden, organsieren und führen vor allem die Kantonalparteien die Wahlkämpfe. Seit den 1970er Jahren und insbesondere seit den 1990er Jahren ist eine Angleichung der kantonalen Parteiensysteme und eine Nationalisierung der Wahlkämpfe zu beobachten.

Weitere bestimmende Elemente der schweizerischen Parteilandschaft waren die frühe Demokratisierung und die Volksrechte. Bereits 1848 galt das allgemeine Wahlrecht für Männer auf nationaler Ebene. Die Einführung des Referendums auf Bundesebene 1874 gab einen wichtigen Anstoss zur Bildung von Bundesparteien, die allerdings wegen kantonaler Partikularismen erst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert festere Strukturen erhielten. Die Parteien werden deshalb auch als «Kinder der Volksrechte» (Erich Gruner) bezeichnet. Protestbewegungen wie die Antiüberfremdungsbewegung der 1960er und 1970er Jahre nutzten die direktdemokratischen Instrumente und etablierten sich später auf parteipolitischer Ebene. Weiter brachten es die direktdemokratischen Volksrechte mit sich, dass die Grenze zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien fliessend blieb; in die Regierung eingebundene Parteien scherten immer wieder aus dem Regierungskonsens aus, lancierten Initiativen und ergriffen Referenden. Dies gilt vor allem für die SP und seit den 1990er Jahren auch für die SVP.

Die Stellung der Parteien im politischen System der Schweiz ist verhältnismässig schwach. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts stehen sie in Konkurrenz zu den Spitzenverbänden, welche über grössere organisatorische und finanzielle Ressourcen verfügen. Das Referendum und die durch die Wirtschaftsartikel von 1947 in der Bundesverfassung (BV) verankerte Möglichkeit der Mitwirkung im vorparlamentarischen Vernehmlassungsverfahren erlauben den Verbänden, auf den politischen Entscheidungsprozess einzuwirken und den Gestaltungsraum der Parteien einzuschränken. Zwischen Parteien und Verbänden bestehen zum Teil enge Beziehungen, so etwa zwischen SP und Schweizerischem Gewerkschaftsbund oder der FDP und dem Vorort bzw. der economiesuisse (Schweizerischer Handels- und Industrieverein). Die Bundesverfassung weist erst seit 1999 (Art. 137) explizit auf die Rolle der Parteien bei der Meinungs- und Willensbildung des Volkes hin. Es existiert weder ein Parteiengesetz noch eine staatliche Parteienfinanzierung, abgesehen von den seit 1972 entrichteten Beiträgen an die Fraktionen der Bundesversammlung. Eine weitergehende staatliche Parteienfinanzierung wurde seit den 1970er Jahren immer wieder diskutiert, fand aber im Parlament keine Mehrheit. Abgelehnt wurden auch Vorstösse, die eine Offenlegung der Parteien- und Wahlkampffinanzierung verlangten. Die Kosten der Parteiarbeit sind deshalb nur schwer zu beziffern. Gemäss einer Ende der 1990er Jahre durchgeführten Untersuchung belief sich das finanzielle Gesamtvolumen der Schweizer Parteien auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene jährlich auf mehr als 40 Mio. Franken, in Wahljahren auf über 60 Mio. Franken. Die SP finanzierte sich mehrheitlich über Mitgliederbeiträge, bei FDP, CVP und SVP dominierten die Spenden und bei der Grünen Partei die Fraktionsbeiträge.

Die Professionalisierung der Schweizer Parteien ist im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich, was auf das formale Festhalten am Milizsystem zurückzuführen ist. Erst in den 1970er Jahren schufen die grossen Bundesparteien professionelle Generalsekretariate. Ende der 1990er Jahre verfügten sie über rund 150 eidgenössische und kantonale Vollzeitstellen. Seit dem Niedergang der Parteipresse sehen sich die Parteien gezwungen, die Öffentlichkeit über die Kanäle parteiunabhängiger Medien zu erreichen. Im Bereich des Marketings und der Kampagnenführung werden vermehrt externe Fachkräfte beigezogen.

Quellen und Literatur

  • E. Gruner, Die Parteien in der Schweiz, 1969 (21977)
  • Krise und sozialer Wandel 1-3, hg. von K. Imhof et al., 1993-99
  • U. Altermatt et al., Rechte und linke Fundamentalopposition, 1994
  • A. Ladner, M. Brändle, Die Schweizer Parteien im Wandel, 2001
  • A. Vatter, Kant. Demokratien im Vergleich, 2002
  • A. Ladner, Stabilität und Wandel von Parteien und Parteiensystemen, 2004
  • R.C. Zürcher, Konkordanz und Konfliktlinien in der Schweiz, 2006
  • Traverse, 2007, H. 1
  • C. Bolliger, Konkordanz und Konfliktlinien in der Schweiz 1945 bis 2003, 2007
  • W. Linder et al., Gespaltene Schweiz - geeinte Schweiz, 2008
  • D. Skenderovic, The Radical Right in Switzerland, 2009
  • Les partis politiques en Suisse, hg. von O. Mazzoleni, H. Rayner, 2009
  • O. Meuwly, Les partis politiques, 2010
Weblinks

Zitiervorschlag

Urs Altermatt; David Luginbühl: "Parteien", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 24.03.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017363/2016-03-24/, konsultiert am 29.03.2024.