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Emer deVattel

Porträt von Emer de Vattel. Öl auf Leinwand eines unbekannten Künstlers, um 1760 (Bibliothèque publique et universitaire de Neuchâtel).
Porträt von Emer de Vattel. Öl auf Leinwand eines unbekannten Künstlers, um 1760 (Bibliothèque publique et universitaire de Neuchâtel).

25.4.1714 Couvet (heute Gemeinde Val-de-Travers), 28.12.1767 Neuenburg, reformiert, von Neuenburg. Sohn des David, Pfarrers, und der Marie de Montmollin. Neffe des Emer de Montmollin. 1764 in Dresden Marie Anne, Baronin von Chêne de Ramelot, Tochter des Nicolas. 1728-1731 Philosophiestudium in Basel, 1733-1736 Theologiestudium in Neuenburg und Genf (vielleicht Vorlesung bei Jean-Jacques Burlamaqui). Sein erstes Werk «Défense du système leibnitien [...]» (1741) machte ihn in Berlin bekannt, wo er sich 1742 Jean Henri Samuel Formey anschloss. Da er von Friedrich II. keine Unterstützung für sein Projekt einer Akademie in Neuenburg erhielt, suchte er ab 1743 sein Glück in Dresden beim Kurfürsten von Sachsen und König von Polen Friedrich August II. Dieser akkreditierte ihn 1747 als Botschaftsrat in Bern. Die Aufgabe beanspruchte ihn jedoch wenig und tatsächlich lebte er unter prekären materiellen Bedingungen in Neuenburg. Er schrieb dort sein Hauptwerk «Des Herrn von Vattels Völkerrecht oder gründliche Anweisung wie die Grundsäze des natürlichen Rechts auf das Betragen und auf die Angelegenheiten der Nationen und Souveräne angewendet werden müssen», das 1758 auf Französisch und 1760 in deutscher Übersetzung erschien. Dank dieser Schrift erhielt Emer de Vattel neue Ämter, zunächst im Kanzleramt in Warschau, dann als Geheimrat in Dresden.

Die Schrift begründete den Ruf Vattels als einen der Väter des Völkerrechts. In Anlehnung an den Philosophen Christian Wolff war Vattels Völkerrecht ein autonomes und komplettes System juristischer Regeln mit dem ausschliesslichen Zweck, die Beziehungen zwischen den Staaten zu ordnen. Es fusst auf dem Zusammenspiel zwischen einem absoluten und unveränderlichen natürlichen Völkerrecht (Naturrecht), das jedoch die Souveräne nur auf ihr Gewissen verpflichtete, und einem auf die effektiven Bedürfnisse für eine Koexistenz der Staaten zugeschnittenen positiven Völkerrecht, das in der Praxis einzig entscheidend war. Diese dualistische Konzeption der Grundlagen des Völkerrechts ähnelte den Ansätzen von Hugo Grotius. Weiter lehnte sich Vattels Modell eines Völkerbunds an die Idee von Thomas Hobbes an. Das Postulat gleichberechtigter und unabhängiger Nationen mit reziproken Freiheitsrechten ermöglicht es den Staaten, ihre Rechte und Verpflichtungen souverän wahrzunehmen. Letztere drücken sich in einer doppelten Aufgabe der Staaten aus: Einerseits müssen sie sich selbst erhalten und ständig verbessern. Anderseits sollen sie nicht die Rechte anderer Staaten beeinträchtigen, zumindest nicht ihre Droit parfaits (vollkommene Rechte), die mit Zwang durchsetzbar sind, im Gegensatz zu den Droits imparfaits (unvollkommene Rechte), die nur durch die Pflichten der Menschlichkeit geboten werden bzw. an welche die Nationen nur im Gewissen gebunden sind. Dank der ausgewogenen Konstruktion und der klarsichtigen Formulierungen wurde Emer de Vattels Schrift zum Klassiker des Völkerrechts und erfuhr bis ins späte 19. Jahrhundert beachtliche Aufmerksamkeit auf beiden Seiten des Atlantiks.

Quellen und Literatur

  • Emer de Vattel à Jean Henri Samuel Formey: correspondances autour du Droit des gens, hg. von A. Bandelier, 2012
  • E. Jouannet, Emer de Vattel et l'émergence doctrinale du droit international classique, 1998
  • Biogr.NE 1, 254-258
  • F. Mancuso, Diritto, stato, sovranità: il pensiero politico-giuridico di Emer de Vattel tra assolutismo e rivoluzione, 2002
  • Réflexions sur l'impact, le rayonnement et l'actualité de "Le droit des gens, ou Principes de la loi naturelle appliqués à la conduite et aux affaires des Nations et des Souverains" d'Emer de Vattel, hg. von Y. Sandoz, 2010
  • Le droit international de Vattel vu du XXIe siècle, hg. von V. Chetail, P. Haggenmacher, 2011
  • C. Good, Emer de Vattel (1714-1767), 2011
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF
Kurzinformationen
Lebensdaten ≈︎ 25.4.1714 ✝︎ 28.12.1767

Zitiervorschlag

Peter Haggenmacher: "Vattel, Emer de", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.07.2013, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/015917/2013-07-02/, konsultiert am 16.04.2024.