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Kapitalgesellschaften

Zu den Kapitalgesellschaften gehören die Aktiengesellschaft (AG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Bei diesen Rechtsformen steht im Unterschied zu den Personengesellschaften nicht die persönliche Mitarbeit der Gesellschafter im Vordergrund, sondern deren Kapitalbeteiligung. Die Gesellschafter erhalten im Gegenzug Anteile und haften nur bis zur Höhe ihrer Einlage. Jede Form der Kapitalgesellschaft bietet dem Einzelnen die Möglichkeit, mit minimalem Risiko beträchtliche Finanzierungsmittel zu mobilisieren. Die Kapitalgesellschaften sind das Ergebnis einer langen Entwicklung des Vertragsrechts. Ihren Durchbruch erlebten die verschiedenen Rechtsformen im 19. Jahrhundert in Zusammenhang mit der Industrialisierung.

Das Gesellschaftsrecht, dem die Kapitalgesellschaften unterstehen, beruhte in der Schweiz lange Zeit auf dem Gewohnheitsrecht. Kapitalgesellschaften sind seit Ende des 18. Jahrhunderts belegt. 1801 wurde in St. Gallen die erste industrielle Aktiengesellschaft gegründet, die Baumwollen-Spinnerey-Gesellschaft, die dank dieser Rechtsform erstmals englische Spinnmaschinen in Betrieb nehmen konnte. Ihrem Beispiel folgten zahlreiche weitere Unternehmen der aufkommenden Textilindustrie. Die Form des Familienbetriebs sowie die geringe Grösse und Konzentration der Unternehmen hemmten jedoch zunächst die Ausbreitung dieser Rechtsform, weshalb sich auch die schweizerische Gesetzgebung in diesem Bereich nur langsam entwickelte. Die entsprechende Legislation, die den Kantonen oblag, stand lange unter dem Einfluss ausländischer Vorbilder (v.a. Frankreich und Deutschland). Der französische Code de commerce von 1807 diente als Modell für eine Kodifikation. In Deutschland wurden die gesetzlichen Bestimmungen 1861 harmonisiert, während die Schweiz erst mit der Annahme des Obligationenrechts 1881 eine eidgenössische Gesetzgebung erhielt. Diese war bestrebt, die Handelsfreiheit zu wahren und an die Erfordernisse der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen, und bot grossen Freiraum bei der Gründung von Gesellschaften. Nach denselben Grundsätzen richtete sich auch die Revision des Obligationenrechts von 1936.

Mit den tiefgreifenden Veränderungen der Schweizer Wirtschaft ab Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Aktiengesellschaften und anderer Kapitalgesellschaften, und das eingesetzte Kapital vervielfachte sich. Banken, Versicherungen, Eisenbahnen und alte Exportunternehmen, später auch das Gastgewerbe, die chemische und die Metall verarbeitende Industrie wählten diese Rechtsformen, um sich eine solide finanzielle Grundlage zu verschaffen und den Zugang zu Information und Know-how zu verbessern. Zwischen 1883 und 1933 überwogen noch die Einzelfirmen. Während sich deren Zahl gut verdoppelte, stieg jene der Aktiengesellschaften um das Dreissigfache. Ein halbes Jahrhundert später hatten sich Letztere nochmals versiebenfacht. 2003 waren im Handelsregister über 174'000 Aktiengesellschaften eingetragen (gegenüber 147'000 Einzelfirmen); die AG hatte sich als häufigste Rechtsform etabliert.

In allen industrialisierten Ländern fand eine ähnliche Entwicklung statt, doch zeigten sich in der Schweiz einige Besonderheiten. Infolge der Dezentralisierung der Industriestandorte setzte sich die Aktiengesellschaft nämlich nicht nur in grossen Unternehmen durch, sondern auch viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) machten sich die Vorzüge dieser rechtlich flexiblen Gesellschaftsform zunutze. 1901 hatten 701 (34%) der verzeichneten 2056 Aktiengesellschaften ein Nominalkapital von weniger als 50'000 Fr. Bei 141 lag es unter 5000 Fr. 1940 machten die KMU 62% aller Aktiengesellschaften aus, danach sank ihre Zahl drastisch.

Diese Entwicklung ging mit einem Strukturwandel einher, der sich im 20. Jahrhundert unter dem Einfluss der neu auftretenden multinationalen Unternehmungen vollzog. Die Globalisierung brachte unter anderem Holdinggesellschaften hervor, die 1986 über 27% des gesamten Nominalkapitals der im Handelsregister eingetragenen Gesellschaften verfügten.

Quellen und Literatur

  • HistStat
  • J. Toggweiler, Die Holding Company in der Schweiz, 1926
  • Schweiz. Aktienges. 1921 bis 1933, 1934
  • Lexique de l'économie suisse, 1965
  • Y. Rens, «Sociétés de capitaux et idéologie capitaliste», in Personne, société, nature, hg. von B. Schmidlin, 1996, 109-121
  • Le droit commercial dans la société suisse du XIXe siècle, hg. von P. Caroni, 1997.
  • G. Krneta, Als Aktionäre noch Abenteurer waren, 2010
Weblinks

Zitiervorschlag

Laurent Tissot: "Kapitalgesellschaften", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.05.2013, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014185/2013-05-23/, konsultiert am 17.04.2024.