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Integralismus

Vor dem Hintergrund einer tendenziell negativen Sicht der modernen Welt bezeichnet I. eine innerkath. Richtung, die Oswald von Nell-Breuning auch als "religiösen Totalitarismus" wertet und die aus dem Glauben (allein) die Antwort auf alle Fragen des privaten und öffentl. Lebens entnimmt und kirchl. Weisungen, soweit sie eigenen Vorstellungen entsprechen, im Bereich der Alltagsfragen absoluten Vorrang einräumt. Historisch erreichte der I. unter dem Pontifikat von Pius X. (1903-14) zur Zeit des Modernismus weltkirchlich einen Höhepunkt und kirchenoffizielle Unterstützung.

Weihe von vier Bischöfen in Ecône. Fotografie von Jean-Claude Gadmer, 1988 © Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Sammlung CIRIC.
Weihe von vier Bischöfen in Ecône. Fotografie von Jean-Claude Gadmer, 1988 © Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Sammlung CIRIC. […]

In der Schweiz verfochten v.a. Professoren der Univ. Freiburg wie Caspar Decurtins, der Dominikaner Albert Maria Weiss und Josef Beck kompromisslos Positionen des I., im Literaturstreit um Heinrich Federer auch der Churer Bf. Georg Schmid von Grüneck, der wie alle Bischöfe der Schweiz mit dem röm. Vorgehen gegen den Modernismus einig ging. Auf publizist. Ebene stellte die 1912 in Olten gegründete und ab 1925 vom Basler Priester Robert Mäder betreute Zeitung "Die Schildwache", die Kontakte ins Ausland pflegte, bis 1945 ein Organ integralist. Denkens im Schweizer Katholizismus dar. In Gegenbewegung zum 2. Vatikanum (Vatikanische Konzile) und der Synode 72 positionierte sich auch in der Schweiz erneut ein I. - heute vielfach mit dem kath. Fundamentalismus gleichgesetzt - um Personen und Bewegungen wie Marcel Lefebvre und seine Priesterbruderschaft St. Pius X. oder Pro Ecclesia und ihr Publikationsorgan "Schweizerische Katholische Wochenzeitung". Strittige Themen sind v.a. die Religionsfreiheit, die Ökumene, die Communio-Ekklesiologie, ethische Fragen, die Laienarbeit und Demokratie sowie die Stellung der Frau in der Kirche. Der I. teilt mit dem Protestantischen Fundamentalismus das Denken in absoluten Kategorien, beruft sich aber im Gegensatz zu diesem auf eine bestimmte Auffassung von Tradition.

Quellen und Literatur

  • E. Poulat, Intégrisme et catholicisme intégral, 1969
  • H.U. von Balthasar, «I. heute», in Diakonia 4, 1988, 221-229
  • "Kath." Fundamentalismus, hg. von W. Beinert, 1991
  • F. Metzger, Die Schildwache, 2000
  • P.F. Bütler, Das Unbehagen an der Moderne, 2002
Weblinks

Zitiervorschlag

Franz Xaver Bischof: "Integralismus", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.01.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011427/2008-01-23/, konsultiert am 29.03.2024.