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Regiebetriebe

Regiebetriebe sind öffentliche Betriebe und Anstalten mit ökonomischen und Dienstleistungsaufgaben (Öffentlicher Haushalt). Sie werden vom Staat in eigener Regie geführt und sind Teil der dezentralen, nicht aber der Kernverwaltung. Oft ist der Regiebetrieb mit einem staatlichen Monopol verbunden. Im Folgenden geht es um die Regiebetriebe des Bundes (Bundesverwaltung).

Der Regiebetrieb bildet keine rechtliche oder juristische Kategorie, sondern verweist auf die selbstständige oder unselbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt mit oder ohne eigene Rechtspersönlichkeit. So wird etwa unterschieden zwischen sogenannten reinen Regiebetrieben (régie directe), womit unselbstständige staatliche Betriebe gemeint sind, und verselbstständigten Regiebetrieben (régie autonome), die eine eigene Organisation aufweisen und auf eigene Rechnung arbeiten. Die juristische und buchhalterische Erfassung der Regiebetriebe führt somit zu definitorischen Schwierigkeiten. In der Praxis wurde eine Vielzahl von Mischformen zwischen Verwaltungsabteilungen und öffentlichen Unternehmen als Regiebetriebe bezeichnet. Im engeren Sinn zählen vorab die Eidgenössische Alkoholverwaltung sowie Rüstungsbetriebe und Militärwerkstätten des Bundes dazu.

Gemäss seinem Geschäftsbericht von 1888 hielt der Bundesrat den Regiebetrieb für gerechtfertigt, sofern damit ein Monopol verbunden ist, infolge dessen die Privattätigkeit ausgeschlossen wird und der Bund nicht in ein Wettbewerbsverhältnis mit Privaten tritt. So waren die Regiebetriebe des frühen Bundesstaats vor allem im Bereich des Finanz- und Zolldepartements, des Militärdepartements, des Industrie- und Landwirtschaftsdepartements sowie im Post- und Eisenbahndepartement angesiedelt. Die Kategorisierung der Eidgenössischen Münzstätte sowie der Pulver- und der Postverwaltung als Regiebetriebe zeigt auch deren Nähe zu den Regalien. 1919 gehörten im Militärdepartement die Pulververwaltung, die Kriegspulverfabriken Wimmis und Worblaufen, die Pferderegieanstalt und das Depot Artillerie-Bundespferde in Thun, die Munitionsfabriken Thun und Altdorf (UR), die Konstruktionswerkstätte und das Elektrizitätswerk Thun sowie die Waffenfabrik Bern zu den Regiebetrieben. Ferner waren folgende Betriebe Regiebetriebe: die Eidgenössische Münzverwaltung im Finanz- und Zolldepartement, die Versuchs- und Untersuchungsanstalten Liebefeld (Gemeinde Bern), Wädenswil und Lausanne, das Hengsten- und Fohlendepot Avenches im Volkswirtschaftsdepartement, die Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (PTT) im Post- und Eisenbahndepartement, die Eidgenössische Alkoholverwaltung und die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Als Regiebetriebe galten teilweise auch die Eidgenössische Getreideverwaltung oder die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) und ihre Annexbetriebe. Zwischen den 1940er und 1970er Jahren wiesen die bundesrätlichen Geschäftsberichte in der Statistik des Personalbestands jeweils die Kategorie "Regiebetriebe" aus, womit die Eidgenössische Alkoholverwaltung, Rüstungsbetriebe und Militärwerkstätten des Bundes gemeint waren. Arbeiteten 1940 noch 7649 Personen in diesen Regiebetrieben, so stieg die Zahl bis 1944 auf 8598; bis in die 1970er Jahre waren es noch über 5000 Personen.

Stall der Eidgenössischen Pferderegieanstalt in Thun. Aufnahme des Armeefotografen Olivier Burnand, 1942 (Schweizerisches Bundesarchiv, E5792#1988/204#1462*, Bild 33281).
Stall der Eidgenössischen Pferderegieanstalt in Thun. Aufnahme des Armeefotografen Olivier Burnand, 1942 (Schweizerisches Bundesarchiv, E5792#1988/204#1462*, Bild 33281). […]

Die Bedeutung der Regiebetriebe für den Staatshaushalt und die Volkswirtschaft ist schwierig zu eruieren, zumal es einerseits in den Staatsrechnungen zu Doppelzählungen kam, während andere Regiebetriebe nicht separat ausgewiesen wurden. Einnahmenseitig waren für den Bundeshaushalt von den 1880er Jahren an vor allem die Erträge aus der Post- und Telegrafenverwaltung sowie die Verkaufseinnahmen (Schiesspulver- und Alkoholmonopol) wichtig. Dagegen erhielten die landwirtschaftlichen Regiebetriebe (Pferdezucht und Versuchsanstalten für Gemüse-, Obst- und Weinbau) stets Subventionen. Bei den militärischen Regiebetrieben war das Militärdepartement der grösste Abnehmer, machten doch die Militärausgaben rund die Hälfte der gesamten Bundesausgaben aus. Mit der Einführung der modernen Bundessteuern ab den 1940er Jahren nahm die Bedeutung der Regiebetriebe als Einnahmequelle ab. Neue Dimensionen betreffend die Aufwendungen für Regiebetriebe erwuchsen aus der Eisenbahnverstaatlichung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als sich der Bund beim Rückkauf der Bahnen mit über 1 Mrd. Franken verschuldete. Ausgabenseitig schlugen dann vor allem die Lohnkosten für die Angestellten der Regiebetriebe zu Buche: Bereits 1913 fielen drei Viertel der Besoldungskosten – hauptsächlich für das Personal der PTT-Betriebe – darunter (ohne SBB und Alkoholverwaltung). Zählt man die SBB dazu, belief sich der Anteil der Regiebetriebe 1921 auf 60% des gesamten Bundespersonals. Noch in den frühen 1990er Jahren stellten die SBB und die PTT zusammen über 70% des Bundespersonals. Vor allem in den 1990er Jahren förderte das Ausgabenwachstum im Schienenverkehr die Debatte um die steigende Staatsquote, während die enorme volkswirtschaftliche Bedeutung der staatlichen Infrastrukturleistungen kaum quantifiziert werden konnte.

Im Zug der Forderung nach Liberalisierung und Deregulierung gewann in den 1980er Jahren die Lehrmeinung des New Public Management Oberhand. Frühere Regiebetriebe wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt (z.B. 1998 Aufsplittung der PTT-Betriebe in Die Post und Swisscom AG, 1999 Umwandlung der SBB in eine Aktiengesellschaft, 1999 Gründung der Ruag Holding AG). Dieser formalen Privatisierung entspricht bislang lediglich bei der Swisscom auch eine materielle Teilprivatisierung, während der Bund bei der Ruag und den SBB Alleineigentümer blieb. Die zu Beginn des 21. Jahrhunderts als öffentliche Unternehmen bezeichneten ehemaligen Regiebetriebe wurden 2010 im aktuellen Vier-Kreise-Modell der Bundesverwaltung zum äussersten Kreis gezählt, während die ETH und die Alkoholverwaltung zum dritten Kreis der öffentlich-rechtlichen Anstalten gehörten. Die Eidgenössische Münzstätte ist seit 1998 im zweiten Kreis bei jenen Ämtern angesiedelt, die mit Leistungsauftrag und Globalkredit geführt werden (sogenannte Flag-Ämter). Da manche der ehemaligen Regiebetriebe zu Beginn des 21. Jahrhunderts ihren staatlichen (Mit-)Eigentümern Dividendenerträge einbrachten (z.B. die Ruag oder die Swisscom), nahm ihr fiskalischer Charakter wieder zu.

Quellen und Literatur

  • «Ber. des Bundesrates an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1887», in Bundesbl. der Schweiz. Eidgenossenschaft, 1888, 683
  • «Ber. zum Anhang zur Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung (RVOV) vom 12.12.2008», in VPB/Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, 2009, Nr. 6, 57-89
  • J. Steiger, Der Finanzhaushalt der Schweiz 2, 1919
  • R.E. Germann, «Regierung und Verwaltung», in Hb. Polit. System der Schweiz 2, hg. von U. Klöti, 1984, 45-76
  • P. Halbeisen, R. Lechner, Öffentl. Finanzen in der Schweiz von 1850-1913, Liz. Zürich, 1990
  • Allg. Verwaltungsrecht, hg. von U. Häfelin et al., 52006
  • Hb. der Schweizer Politik, hg. von U. Klöti et al., 42006
Weblinks

Zitiervorschlag

Gisela Hürlimann: "Regiebetriebe", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.04.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010353/2016-04-13/, konsultiert am 17.04.2024.