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Bundesvertrag

Gedruckte Reproduktion aus dem Atelier Schönfeld in Winterthur (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Gedruckte Reproduktion aus dem Atelier Schönfeld in Winterthur (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Vertrag zwischen den 24 souveränen Kantonen und Halbkantonen (Staatenbund) der hier erstmals so genannten Schweizerischen Eidgenossenschaft, deren Rechtsgrundlage er zwischen 1815 und 1848 bildete. Mit dem Einmarsch der antifranzösischen Koalition Ende 1813 verlor die 1803 von Napoleon Bonaparte diktierte Mediationsakte der 19 Kantone ihre Basis und wurde von zehn alteidgenössischen Ständen als aufgehoben erklärt. Zugleich umriss diese «eidgenössische Versammlung» im Vorort Zürich einen neuen «Bundesverein» im Geist der alten Bünde, aber ohne Untertanenverhältnisse, dem neun der alten und fünf der neuen Kantone beitraten. Anfang Februar 1814 beriet die eidgenössische Versammlung über die «Grundlinien einer Bundesverfassung», die sich an die Mediationsakte anlehnten und die Gleichheit der Kantone festlegten, die Bundesgewalt aber zugunsten grösserer kantonaler Rechte abschwächten. So fehlten das Sonderbundsverbot und der Landammann der Schweiz.

Dieser Ausgleich wurde durch eine breite restaurative Bewegung überholt. Schon vor Weihnachten 1813 hatte sich das alte Berner Patriziat wieder an die Macht geputscht und den Anschluss der Waadt und des Aargaus erklärt. Weitere patrizische Staatsstreiche gelangen Anfang 1814 in Solothurn, Freiburg und Luzern. Schwyz und Nidwalden proklamierten die erneute Gültigkeit der vorrevolutionären Verhältnisse. Uri und Zug forderten den Anschluss ehemaliger Vogteien. Mit der Einberufung einer Gegentagsatzung dieser Stände im März 1814 war die Schweiz in eine reaktionäre Berner und eine gemässigte, vom Vorort Zürich geführte Gruppe gespalten, welche zum Krieg rüsteten. Erst als die Grossmächte den Bestand der neuen Kantone bekräftigten und eine Zwangsvermittlung androhten, konnte am 6. April 1814 die offizielle, wegen ihrer Dauer bis zum 31. August 1815 sogenannte Lange Tagsatzung in Zürich ihre stark von den Gesandten der Grossmächte (namentlich Graf Ioannes Antonios Kapodistrias, Stratford Canning, Claude Marie Gustave de Damas, August Ernst von Steigentesch) beeinflusste Arbeit aufnehmen (Tagsatzung). Die Beratungen führten zu einem neuen Entwurf, der unter anderem die Militärkompetenzen des Bundes stärkte, aber auch die Gebietsgarantie und das Untertanenverbot abschwächte. Entgegen ihrem sonstigen Interesse an einem schwachen Bund setzten die Urkantone mit Berner Hilfe eine Bundesgarantie für die Klöster durch.

Als nur 9½ Stände diesem Entwurf unbedingt zustimmten und Bern ablehnte, spaltete sich die Eidgenossenschaft erneut. Anfang August 1814 legten die reaktionären Kantone einen knappen Entwurf vor, der ausser der Klostergarantie praktisch keine Bundeskompetenzen vorsah, weder Sonderbünde noch Untertänigkeit verbot und den Kantonen alle Freiheiten liess. Die Gebietskonflikte sollten gemäss Zusatzabkommen schiedsgerichtlich geregelt werden. Da die reaktionären Kantone einen Sonderbund planten, drohte erneut ein Bürgerkrieg. Erst als die Grossmächte eine Zwangsvermittlung oder gar eine Aufteilung der Schweiz erwogen, einigte sich die Tagsatzung, ausgehend von der reaktionären Vorlage, auf einen neuen Vertrag. Dieser enthielt wieder ein abgeschwächtes Sonderbunds- und Untertanenverbot und sprach dem Bund mehr militärische Kompetenzen zu. Nach beigefügter Übereinkunft sollte ein Schiedsgericht die ökonomischen Streitfälle und der Wiener Kongress (1814-1815) die Gebietskonflikte zwischen den Kantonen beurteilen. Im Bewusstsein der bedrohten Existenz der Schweiz stimmte die Mehrheit dem neuen Bundesvertrag und der Übereinkunft zu, worauf die Tagsatzung am 9. September 1814 die neue Eidgenossenschaft konstituierte und am 12. September 1814 die Kantone Wallis, Neuenburg und Genf in den Bund aufnahm. Schwyz und Appenzell Innerrhoden schlossen sich im März 1815 nach Napoleons Rückkehr an. Bei der Beschwörung des neuen Bundes am 7. August 1815 in Zürich fehlte nur Nidwalden, das erst nach eidgenössischer Besetzung beitrat.

Der aus 15 Artikeln bestehende Bundesvertrag hatte vor allem die Freiheit der Kantone zu sichern, während die Freiheiten der Bürger nur indirekt im Untertanenverbot erwähnt wurden. Die Bundesgewalt, repräsentiert durch die in den Vororten Zürich, Bern und Luzern versammelte Tagsatzung, hatte kaum Kompetenzen. Nur in der Militärorganisation (Armee) wurde der Bund gestärkt, während die in den meisten Kantonen dominierenden alten Eliten fast ohne äussere Aufsicht herrschen konnten. Allerdings gab diese Souveränität den Kantonen auch Raum für innere Reformen in der Regeneration. Nachdem in dieser Zeit die Revision des Bundesvertrags auch an den fehlenden Revisionsbestimmungen gescheitert war, erwiesen sich die schon 1814 umstrittenen Sonderbunds- und Klosterartikel als Hauptstreitpunkte, die 1847 zum Sonderbundskrieg (Sonderbund) und 1848 zur Ablösung des Bundesvertrags durch die Bundesverfassung führten.

Quellen und Literatur

  • EA Rep. 1814-1848
  • E. His, Gesch. des neuern Schweiz. Staatsrechts 2, 1929
  • HbSG
  • A. Kölz, Neuere schweiz. Verfassungsgesch. 1, 1992
Weblinks

Zitiervorschlag

Renato Morosoli: "Bundesvertrag", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.05.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009809/2010-05-07/, konsultiert am 28.03.2024.