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FranzSchnyder

5.3.1910 Burgdorf, 8.2.1993 Münsingen, reformiert, von Kriens und ab 1970 von Burgdorf. Schauspieler, Theater- und Filmregisseur sowie Filmproduzent.

Franz Schnyder während der Dreharbeiten im Emmental zu Uli der Knecht, 1954 (Gloriafilm / Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich).
Franz Schnyder während der Dreharbeiten im Emmental zu Uli der Knecht, 1954 (Gloriafilm / Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich).

Franz Schnyder wuchs als Sohn des Ingenieurs Maximilian Schnyder und der Fanny Louise geborene Steiner im Burgdorfer Villenviertel Gsteig-Hoger auf. Er war der Zwillingsbruder von Felix Schnyder und blieb ledig. In Burgdorf absolvierte er die Matura. Seine Ausbildung zum Regisseur und Schauspieler machte Schnyder bei Ilka Grüning in Berlin sowie bei Louise Dumont und Gustav Lindemann in Düsseldorf. 1932 erhielt er ein erstes Engagement in Mainz, ab 1933 trat er an Theatern in Breslau, Münster und St. Gallen auf. 1933 kamen erste Filmerfahrungen als Schauspieler im deutschen Stummfilm Das kalte Herz hinzu. Schnyder spielte und inszenierte 1937-1939 am Deutschen Theater Berlin, 1938-1939 war er Gastregisseur an den Münchner Kammerspielen. Vor Kriegsausbruch kehrte er in die Schweiz zurück und rückte in die Armee ein. Am Schauspielhaus Zürich bekam er 1939 einen Regievertrag. Hier inszenierte er 1940 die deutschsprachige Premiere des dezidiert demokratiefreundlichen Stücks Abraham Lincoln im Staate Illinois von Robert E. Sherwood sowie die Uraufführung des antimilitaristischen Pamphlets Der Soldat Tanaka von Georg Kaiser. Daneben arbeitete er als Regisseur an den Stadttheatern Basel und Bern.

Plakat von Fritz Traffelet für den Spielfilm Gilberte de Courgenay, der 1941 von Franz Schnyder gedreht und von der Praesens Film AG produziert wurde (Sammlung Cinémathèque suisse, alle Rechte vorbehalten).
Plakat von Fritz Traffelet für den Spielfilm Gilberte de Courgenay, der 1941 von Franz Schnyder gedreht und von der Praesens Film AG produziert wurde (Sammlung Cinémathèque suisse, alle Rechte vorbehalten). […]

Auf Vorschlag der Fremdenpolizei, die den Flüchtling Leopold Lindtberg als Regisseur für einen weiteren armeefreundlichen Film nach Füsilier Wipf verhindern wollte, engagierte die Produktionsgesellschaft Praesens Film AG 1941 den filmtechnisch unerfahrenen Schweizer Schnyder für den Spielfilm Gilberte de Courgenay. Angeleitet von Lindtberg, lancierte dieser seine Karriere hinter der Kamera gleich mit einem Publikumserfolg. Nach Das Gespensterhaus (1942) und dem unpopulären Wilder Urlaub (1943) zum Thema Desertion wurde er nicht mehr als Filmregisseur verpflichtet. Fortan arbeitete er am Stadttheater Bern und 1944 als Schauspieldirektor am Stadttheater Basel. Das Gedenkjahr zum 100. Todestag von Albert Bitzius (Jeremias Gotthelf) bot Schnyder 1954 die Gelegenheit zum Wiedereinstieg in den Film. Unterstützt durch den Bund realisierte er in diesem Jahr mit Uli der Knecht seine erste Gotthelf-Verfilmung. Anknüpfend an Ernst Balzlis Radiohörspiele portierte der erfolgreiche Film das folkloristisch-volkstümliche Bild Gotthelfs, welches das Volkstheater mit Mundart-Bühnenfassungen seiner Romane seit Ende des 19. Jahrhunderts geprägt hatte. Während Literaturwissenschaftler wie Walter Muschg dieser Art der Popularisierung ablehnend gegenüberstanden, betrachtete Schnyder sie als Chance, die in seinen Augen zeitlosen Moralvorstellungen des Dichters mit grösstmöglicher Breitenwirkung zu vermitteln. 1955 drehte Schnyder Heidi und Peter, der als erster Schweizer Farbfilm in die Kinos kam. Noch im selben Jahr folgte mit Uli der Pächter eine weitere Gotthelf-Umsetzung. Glücklos blieb das ambitionierte, 1957 von seiner eigenen Firma Neue Film AG produzierte Werk Der 10. Mai. Es handelte sich um eine frühe Aufarbeitung problematischer Aspekte der Geschichte der Schweiz im Zweiten Weltkrieg wie der Flüchtlingspolitik oder der Flucht von Teilen der Zivilbevölkerung in die Alpen aus Furcht vor einem deutschen Einmarsch. Trotz guter Kritiken wurde der Spielfilm vom Publikum schlecht aufgenommen. Enttäuscht wandte sich Schnyder erneut Gotthelf zu. Die Neue Film AG produzierte bis 1964 Die Käserei in der Vehfreude (1958), Anne Bäbi Jowäger – I. Teil: Wie Jakobli zu einer Frau kommt (1960), Anne Bäbi Jowäger – II. Teil: Jakobli und Meyeli (1961) sowie Geld und Geist (1964). Diese fanden zwar Zuspruch beim Publikum, die Fachwelt aber monierte den moralisierenden predigerhaften Ton der als antiquiert empfundenen Filme. Zudem brachte Schnyder die – von ihm bestrittene – thematische und formale Nähe zum populären Heimatfilm den Vorwurf ein, er verherrliche mit antimodernistischer Stossrichtung ein idealisiertes Bauerntum. Zur selben Zeit setzte ihn seine Kritik an der Filmförderung des Bundes, der ab 1964 das Kinoschaffen des neuen Schweizer Films subventionierte, in Opposition zu einer neuen Generation von Filmemachern. Die sechs Kummerbuben (1968) war Schnyders letzter, wenig beachteter Kinofilm. Die vom mitproduzierenden Schweizer Fernsehen gleichzeitig ausgestrahlte 13-teilige Fernsehserie hingegen hatte grossen Erfolg. Mit dem wiederum im ländlichen Milieu angesiedelten Film setzte sich Schnyder erneut dem Vorwurf aus, sich formal und thematisch nicht vom alten Schweizer Film zu lösen.

Franz Schnyder (dritter von links) während der Dreharbeiten zum Spielfilm Zwischen uns die Berge auf der Moosfluh mit Blick auf den Aletschgletscher. Fotografie mit Hauptdarsteller Hannes Schmidhauser (zweiter von rechts), Sommer 1956 (Praesens Film AG / Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich).
Franz Schnyder (dritter von links) während der Dreharbeiten zum Spielfilm Zwischen uns die Berge auf der Moosfluh mit Blick auf den Aletschgletscher. Fotografie mit Hauptdarsteller Hannes Schmidhauser (zweiter von rechts), Sommer 1956 (Praesens Film AG / Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich).

Zwar blieben die Gotthelf-Filme ungebrochen populär, Schnyder aber verschwand zusehends aus dem öffentlichen Bewusstsein. Von der Entwicklung des jungen Schweizer Films weitgehend abgehängt, brachte er sein Projekt über Johann Heinrich Pestalozzi, mit dem er sich in seinen letzten Jahren intensiv beschäftigte, nicht mehr zur Produktionsreife, was ihn verbitterte.

1984 erfuhr Schnyder mit dem Dokumentarfilm FRS – Das Kino der Nation eine gewisse Rehabilitierung. Darin wurde er als wertkonservativer Filmautor gewürdigt, der eine vergangene bäuerliche Welt mit Blick für die ungeschönte soziale Realität erfasst habe. Hervorgehoben wurden seine zeitkritischen Interventionen Wilder Urlaub und Der 10. Mai. Heute gilt Schnyder, neben Lindtberg und Kurt Früh, als wichtigster Regisseur des alten Schweizer Films. Seinen Lebensabend verbrachte er vereinsamt in Burgdorf, bis er nach einem Zwischenfall in die Psychiatrische Klinik Münsingen eingewiesen wurde, wo er auch verstarb.

«Der Film». Schweizer Filmwochenschau, Ausgabe Nr. 629 vom 25. Juni 1954 (Schweizerisches Bundesarchiv, J2.143#1996/386#629-1#1*) © Cinémathèque suisse, Lausanne und Schweizerisches Bundesarchiv, Bern.
«Der Film». Schweizer Filmwochenschau, Ausgabe Nr. 629 vom 25. Juni 1954 (Schweizerisches Bundesarchiv, J2.143#1996/386#629-1#1*) © Cinémathèque suisse, Lausanne und Schweizerisches Bundesarchiv, Bern. […]
Ausschnitt aus Franz Schnyders Spielfilm Der 10. Mai, 1957, Dialektfassung (Neue Film AG / Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich).
Ausschnitt aus Franz Schnyders Spielfilm Der 10. Mai, 1957, Dialektfassung (Neue Film AG / Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich). […]

Quellen und Literatur

  • Wider, Werner; Aeppli, Felix: Der Schweizer Film 1929-1964. Die Schweiz als Ritual, 2 Bde., 1981.
  • Dumont, Hervé: Geschichte des Schweizer Films. Spielfilme, 1896-1965, 1987.
  • Lerch, Fredi: «Der vierte Fehler des Franz Schnyder», in: Lerch, Fredi: Mit beiden Beinen im Boden. Reportagen von Menschen und Bunkern, 1995, S. 49-61.
  • Neue Zürcher Zeitung, 4.10.1997.
  • Hostettler, Thomas: «Schnyder, Franz», in: Theaterlexikon der Schweiz, Bd. 3. 2005, S. 1626-1627.
  • Dumont, Hervé; Tortajada, Maria (Hg.): Histoire du cinéma suisse 1966-2000, 2007.
  • Der Bund, 5.3.2010.
  • Schärer, Thomas: Zwischen Gotthelf und Godard. Erinnerte Schweizer Filmgeschichte 1958-1979, 2014.
  • Kähler, Ursula; Fluri, Raff: Franz Schnyder. Regisseur der Nation, 2020.
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Kurzinformationen
Variante(n)
FRS (Übername)
Lebensdaten ∗︎ 5.3.1910 ✝︎ 8.2.1993

Zitiervorschlag

Benedikt Eppenberger: "Schnyder, Franz", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.04.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009239/2020-04-08/, konsultiert am 28.03.2024.