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Bauernkrieg1653

Der «(grosse) schweizerische Bauernkrieg» bezeichnet – in Gegenüberstellung zum ober- und mitteldeutschen Bauernkrieg von 1525 – den Aufstand ländlicher Untertanen der eidgenössischen Stände Luzern, Bern, Solothurn und Basel im Entlebuch, Emmental, in Teilen der Solothurner und Basler Landschaft im Jahr 1653.

Das Ereignis

Die nach dem Dreissigjährigen Krieg verfügte Abwertung der Berner, Solothurner und Freiburger Handmünzen (Batzen, deshalb auch «Batzenkrieg») im Dezember 1652 löste bei den ländlichen Untertanen verschiedener eidgenössischer Städteorte Widerspruch und Klagen aus. Die Untertanen der Luzerner Talschaft Entlebuch waren von der Massnahme besonders stark betroffen: Angesichts der engen Verflechtung dieses Gebiets mit dem benachbarten Berner Wirtschafts- und Währungsraum zirkulierten unter den Entlebuchern grosse Mengen der abgewerteten Münzen, und im Unterschied zu den Untertanen der abwertenden drei Orte wurden ihnen die Währungsverluste nicht ersetzt. Deshalb sprach am 9. Januar 1653 eine Delegation der Talschaft beim Rat der Stadt Luzern vor und bat um die Kompensation der Abwertungsverluste bzw. um die Zurücknahme der Abwertung. Weil sich die eigentlichen Verantwortlichen – die abwertenden drei Orte – weigerten, für die Währungsverluste fremder Untertanen aufzukommen, wies die Luzerner Obrigkeit Anfang Februar das Ersuchen der Entlebucher zurück.

Diese Absage gab den Anstoss zur Rebellion: Am 10. Februar veranstalteten sämtliche Bewohner der Talschaft eine Prozession zur Wallfahrtskirche Heiligkreuz, versammelten sich nach der Predigt zur illegalen Landsgemeinde, beschworen einen rebellischen Bund und beschlossen, die Erfüllung ihrer Forderungen mit einem Zins- und Zehntenstreik zu erzwingen. Kurze Zeit später schlossen sich die übrigen Luzerner Ämter und Landvogteien der Rebellion an, und am 26. Februar wurde in Wolhusen ein zweiter und grösserer Bund aller Luzerner Untertanen geschlossen. Damit besass die Luzerner Obrigkeit keinerlei Möglichkeiten mehr, dem Aufstand durch eigene Kraft Herr zu werden. Deshalb schickten die katholischen eidgenössischen Orte auf Bitte der Luzerner Obrigkeit Ende Februar Gesandte, die zwischen Herrschaft und Untertanen vermitteln sollten.

In der ersten Märzwoche wurde auch das Herrschaftsgebiet der Stadt Bern von der Rebellion erfasst, etwas später folgten die Hoheitsgebiete der Städte Solothurn und Basel. In der Folge sah sich die Berner Regierung ebenfalls gezwungen, die reformierten eidgenössischen Orte um Hilfe und Vermittlung zu ersuchen. Die Ergebnisse der eidgenössischen Vermittlung fielen für die Luzerner und Berner Untertanen nicht ungünstig aus: Vor allem im wirtschaftlichen Bereich wurden Konzessionen gemacht. Die politischen Forderungen der Untertanen – vorab das seit dem Stanser Verkommnis (1481) verweigerte Recht auf eigene politische «Landsgemeinden» und Versammlungen sowie die institutionalisierte Mitsprache an der herrschaftlichen Gesetzgebung – wurden dagegen zurückgewiesen. Da aber die politischen Forderungen den Untertanen in der Zwischenzeit sehr viel wichtiger geworden waren, kehrte die Ruhe nicht ein. Stattdessen erreichte der Konflikt am 14. Mai eine weitere Eskalationsstufe.

An diesem Tag besammelten sich Vertreter der Untertanen von Luzern, Bern, Solothurn und Basel in Huttwil zu einer weiteren Landsgemeinde und schlossen einen dritten «Bauernbund». Ihre Hoffnung ging dahin, dass bald auch alle anderen eidgenössischen Untertanen beitreten würden. Nach dem Urteil der Obrigkeiten beschwor dieser Bund nichts weniger herauf als die Gefahr «einer durchgehenden Revolution». Diese Lagebeurteilung war nicht übertrieben: Einerseits waren die Zielsetzungen tatsächlich revolutionär. Dass Vertreter des Bauernbunds bei inneren Konflikten gleichberechtigt neben den herrschaftlichen Gesandten der einzelnen Orte vermitteln und den im Konflikt engagierten Untertanen unter Umständen gegen ihre Obrigkeit auch militärische Unterstützung anbieten sollten, beinhaltete eine grundlegende und radikale Veränderung der etablierten Herrschafts- und Machtverhältnisse. Die Realisierung dieser Absicht hätte das politische Gewicht der abhängigen Landbevölkerung in der Eidgenossenschaft in einem in ganz Europa beispiellosen Ausmass verstärkt. Andererseits standen den Untertanen dank dem weiträumigen organisatorischen Zusammenschluss, welchen der «Bauernbund» verwirklicht hatte, beträchtliche militärische Machtmittel zur Verfügung, um diese revolutionären Ziele unter Umständen wirksam durchsetzen zu können.

Porträt Niklaus Leuenbergers. Radierung von Conrad Meyer, um 1655 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Porträt Niklaus Leuenbergers. Radierung von Conrad Meyer, um 1655 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).

Angesichts der klar gestellten Machtfrage verstärkten beide Seiten ihre militärischen Vorbereitungen. Die Untertanen machten den ersten Zug: In der Hoffnung, die städtischen Obrigkeiten könnten durch militärische Schritte gezwungen werden, den unerfüllt gebliebenen politischen Forderungen nachzugeben, griffen sie am 21. bzw. 23. Mai zu den Waffen. Mehrere tausend Mann starke Rebellentruppen belagerten Luzern und Bern und stoppten deren Lebensmittelzufuhr. Als sich jedoch in Zürich ein Tagsatzungsheer sammelte und aus der treu gebliebenen Waadt ein zweites Heer berntreuer Truppen anmarschierte, lenkten die Aufständischen ein. Am 29. Mai unterzeichnete Niklaus Leuenberger, der Anführer der Berner Untertanen, einen Separatfrieden und Kompromiss mit seiner Obrigkeit (Vertrag vom Murifeld): Während die Untertanen auf ihre revolutionären politischen Forderungen verzichteten, bestätigte die Berner Regierung im Gegenzug die Konzessionen, welche die reformierten Vermittler zugestanden hatten. Wenige Tage später folgten die Anführer des zweiten Bauernheeres, das sich dem Zürcher Tagsatzungsheer bei Mellingen entgegenstellt hatte, diesem Beispiel: Am 4. Juni wurde der sogenannte Mellinger Friede unterzeichnet, der ähnliche Bedingungen wie der Murifeldvertrag enthielt.

Der Friede und Kompromiss zwischen Herrschaft und Untertanen war aber nicht von Dauer. Kaum hatten sich die Rebellentruppen entsprechend den getroffenen Vereinbarungen aufgelöst, nutzte die Berner Regierung die veränderte militärische Lage rücksichtslos aus. Sie erklärte den Murifeldvertrag für null und nichtig und schickte ihre immer noch mobilisierten Truppen auf einen brutalen Unterdrückungsfeldzug gegen die eigenen Untertanen. Die anderen vom Bauernkrieg betroffenen Obrigkeiten und vor allem die Luzerner Regierung gingen nicht so weit, den Friedensvertrag zu annullieren. Aber auch sie nutzten die zu ihrem Vorteil veränderte militärische Lage zu harten Strafmassnahmen gegen die Aufständischen. Entgegen den Vertragsbestimmungen wurden viele von ihnen als «Rädelsführer» gefangengenommen und nach kurzem Prozess hingerichtet, zu Galeerenstrafen und fremden Kriegsdiensten verurteilt oder in die Verbannung geschickt.

Aufständische, die am 29. Januar 1633 im elsässischen Häsingen hingerichtet worden waren. Anonyme Radierung (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Aufständische, die am 29. Januar 1633 im elsässischen Häsingen hingerichtet worden waren. Anonyme Radierung (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Folgen, Ursachen, Handlungsbedingungen

Historiker wie Alois Vock und Hans Mühlestein behandelten die geschilderten Vorgänge unter Titeln wie «Der grosse Volksaufstand in der Schweiz» bzw. «Der grosse schweizerische Bauernkrieg 1653». Sie betonten damit, dass es sich um ein wichtiges Ereignis der Schweizer Geschichte gehandelt hat. Diese Einschätzung besteht zu Recht. Der Bauernkrieg war die tiefst greifende Infragestellung etablierter Herrschaft und Macht in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft. Er führte auf kurze Sicht zu Reformversuchen des eidgenössischen Bündnissystems, deren Scheitern wiederum den Ersten Villmergerkrieg (1656) mitverursachte. Noch wichtiger waren jedoch die langfristigen Auswirkungen. Gemessen an den weitreichenden Forderungen endete der Bauernkrieg zwar mit einer weitgehenden Niederlage der Aufständischen. Gemessen an den indirekten Wirkungen kann aber durchaus von einem Erfolg der Untertanen gesprochen werden: Ihr ausdauernder Kampf für politische Partizipationsrechte und gegen die Zentralisierung und Intensivierung staatlicher Macht, den sie in den zahlreichen ländlichen Unruhen des ausgehenden 16. und 17. Jahrhunderts und ganz besonders im Bauernkrieg geführt hatten, war mit ein wichtiger Grund, dass die städtischen Obrigkeiten in der Alten Eidgenossenschaft die Entwicklung zum Absolutismus nicht weitertreiben konnten.

Exekution von sieben rebellischen Bauern am 14.7.1653 vor Basel (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 489).
Exekution von sieben rebellischen Bauern am 14.7.1653 vor Basel (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 489). […]

Drei Eigenschaften unterscheiden den Bauernkrieg von den zahlreichen früheren und späteren Beispielen ländlicher Unruhen: Erstens wurde der für die Vielzahl der ländlichen Unruhen typische Rahmen gesprengt. Der Bauernkrieg war nicht auf das Gebiet einer Herrschaft beschränkt, sondern erfasste und organisierte die Untertanen in einem die herrschaftlich-politischen Grenzen verschiedener Städteorte überschreitenden Raum. Zweitens griff die Landbevölkerung 1653 zur Durchsetzung ihrer Ziele zum Mittel der militärisch organisierten Gewalt. Eine solche Eskalation der Mittel war überaus unüblich. Zwar waren die ländlichen Untertanen stets zu begrenzten Gewaltaktionen bereit, um beispielsweise die eigenen Dörfer und Höfe zu verteidigen. Das Aufstellen eigentlicher Rebellentruppen und deren offensiver Einsatz bildeten dagegen eine Ausnahme. Radikal waren drittens nicht nur die eingesetzten Mittel, radikal waren auch die Zielsetzungen. Während die Untertanen mit ihren Unruhen gewöhnlicherweise ganz praktische Verbesserungen in ihrer Stellung gegenüber der Herrschaft anstrebten, ging es bei diesem Krieg um eine grundsätzliche Veränderung der Herrschafts- und Machtverhältnisse.

Die herausragenden Dimensionen und die Intensität dieses Konflikts sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Einmal ist auf die weiträumig wirkenden Ursachen hinzuweisen. Der Bauernkrieg ist in erster Linie mit einer tiefgreifenden Agrarkrise zu erklären: Mit der Beendigung des Dreissigjährigen Kriegs folgte auf die ausgeprägte, mehr als zwei Jahrzehnte dauernde Export- und Preiskonjunktur eine tiefe Nachkriegs- und Friedensdepression. Die Krisenfolgen, die durch Faktoren wie das Bevölkerungswachstum, die hohe ländliche Verschuldung und die eingangs geschilderten währungspolitischen Massnahmen zusätzlich verschärft wurden, waren in weiten Teilen der Eidgenossenschaft zu spüren. Entsprechend wurden an vielen Orten Unmut, Existenzängste und die latente Bereitschaft zu Protest und Widerstand geweckt. Dann war die Ausweitung des Konflikts und die Überwindung des herrschaftlich begrenzten Aktions- und Organisationsrahmens das Ergebnis taktischer Lernprozesse: Mehrere Führerpersönlichkeiten von 1653 waren nämlich bereits bei früheren ländlichen Unruhen kleineren Umfangs beteiligt gewesen und hatten aus ihren Misserfolgen gelernt. Die sich daraus erschliessende Einsicht, dass man einzig durch ein gemeinsames Vorgehen, durch den Aufbau einer möglichst weitgespannten Organisations- und Aktionseinheit Erfolg haben könnte, war für den Wolhuser und für den Huttwiler Bauernbund von zentraler Bedeutung. Wichtig war weiter die Tatsache, dass die Untertanen in den Zentren des Bauernkriegs über bestimmte, durch die Wirtschaftsform vermittelte Fähigkeiten verfügten; diese machten es einfacher, die Ergebnisse der taktischen Lernprozesse in die Tat umzusetzen: Die beiden Hauptaufstandsgebiete, das Luzerner Entlebuch und das Berner Emmental, waren nämlich in einer überaus fortschrittlichen voralpinen Agrarzone gelegen, deren Bewohner die Vorteile der Spezialisierung und der interregionalen Arbeitsteilung sehr früh zu nutzen wussten. Daraus ergaben sich intensive Markt- und Austauschbeziehungen, welche über die territorialherrschaftlichen und konfessionellen Grenzen hinwegschritten. Im Bauernkrieg konnten diese kommerziellen Beziehungen und Kanäle dann für den grenzüberschreitenden Austausch politischer Informationen und als Anknüpfungspunkte politischer Zusammenarbeit genutzt werden. Umgekehrt war die politische und militärische Zusammenarbeit zwischen den eidgenössischen Orten als Folge der tiefen religions- und verfassungspolitischen Gegensätze schwer gestört, was eine rasche und energische Niederschlagung des Aufstands verunmöglichte. Von grosser Bedeutung war schliesslich die kollektive Erinnerung an die Figur des Wilhelm Tell und an die eidgenössische Befreiungstradition, die im Bauernkrieg fassbar wird und überaus subversive Kräfte freisetzte. Denn aus dieser Erinnerung konnte ein Widerstandsrecht hergeleitet werden, welches sogar die radikale Absicht einer revolutionären Veränderung der etablierten Herrschaft denkbar und legitimierbar machte.

Quellen und Literatur

  • A. Vock, Der Bauernkrieg im Jahr 1653 oder der grosse Volksaufstand in der Schweiz, 1831
  • H. Mühlestein, Der grosse schweiz. Bauernkrieg 1653, 1942, (Nachdr. 1977)
  • A. Suter, Der schweiz. Bauernkrieg von 1653, 1997
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Andreas Suter: "Bauernkrieg (1653)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.05.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008909/2010-05-07/, konsultiert am 28.03.2024.