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Morgartenkrieg

Unter Morgartenkrieg versteht man die Ereignisse im Zeitraum zwischen 1310 und 1320, welche in der Schlacht am Morgarten von 1315 kulminierten.

Rahmenbedingungen und Ursachen

Schlachtenszene. Holzschnitt aus dem Werk Gemeiner loblicher Eydgnoschaft Stetten von Johannes Stumpf, 1547 (Bibliothèque de Genève, Archives A. & G. Zimmermann).
Schlachtenszene. Holzschnitt aus dem Werk Gemeiner loblicher Eydgnoschaft Stetten von Johannes Stumpf, 1547 (Bibliothèque de Genève, Archives A. & G. Zimmermann). […]

Im Juni 1309 bestätigte König Heinrich VII. von Luxemburg den drei Waldstätten die Reichsfreiheit, die von Habsburg-Österreich nicht anerkannt wurde, und fasste sie in einer Reichsvogtei unter Graf Werner von Homberg zusammen. Danach verschlechterten sich die Beziehungen zwischen der Herrschaft Österreich und den Waldstätten, insbesondere den Schwyzern. Die Herzoge von Österreich bemühten sich, ihre Landesherrschaft über Schwyz und Unterwalden zu erhalten. Für ein angespanntes Verhältnis sorgte ausserdem die Verfolgung der Mörder König Albrechts I. von Habsburg (1308 bei Königsfelden ermordet) in der Innerschweiz. Zudem eskalierte trotz mehreren Schiedsversuchen der Marchenstreit zwischen dem Kloster Einsiedeln und den durch den Kirchenbann verbitterten Schwyzern um die Nutzung von Alp- und Waldgebieten. Er erreichte mit dem schwyzerischen Überfall auf das unter österreichischer Schirmvogtei stehende Kloster in der Dreikönigsnacht 1314 einen Höhepunkt. Der Thronstreit von 1314-1315 zwischen Ludwig dem Bayern und Friedrich dem Schönen von Habsburg verschärfte die Lage in der Innerschweiz weiter. Die Waldstätte versprachen sich Unterstützung von König Ludwig; Friedrich dagegen verhängte über sie die Reichsacht, deren Durchsetzung die Herrschaft Österreich unter Herzog Leopold vorbereitete. Nach neuerer Auffassung ist auch das Interesse Österreichs an der Grafschaft Rapperswil als Auslöser des Konflikts in Betracht zu ziehen. Demnach ging es Herzog Leopold darum, durch seine Präsenz im schwyzerisch-zugerischen Gebiet gegenüber Werner von Homberg Ansprüche auf das Erbe der Rapperswiler Herrschaft, insbesondere die Vogteirechte über Einsiedler Güter und Leute, geltend zu machen.

Die Schlacht am Morgarten und ihre Folgen

Herzog Leopold sammelte nach dem Abschluss eines Feldzugs in Schwaben seine Truppe im habsburgischen Städtchen Zug und zog am Morgen des 15. November 1315 durch das Ägerital gegen Sattel. Ob sein Ziel das Tal von Schwyz, die umkämpften Gebiete des Klosters Einsiedeln oder gar das ganze Gebiet gegen den oberen Zürichsee hin war, kann nicht entschieden werden. Sicher ist, dass die Schwyzer das anrückende Heer Leopolds im Raum Schornen am oberen Ende des Ägerisees (Hauptsee) überfielen und es nach kurzem, aber blutigem Nahkampf in die Flucht schlugen.

Nach der Schlacht war vor allem den Schwyzern daran gelegen, ihre Verbindung mit den Leuten von Uri und Unterwalden enger zu gestalten. Am 9. Dezember 1315 kamen die Vertreter der drei Länder in Brunnen zusammen und besiegelten einen neuen Bund (Bundesbriefe). Er enthält als wesentliche Erweiterung gegenüber demjenigen von 1291 eine gemeinsame «Aussenpolitik», Bestimmungen, die in der Politik der Waldstätte noch während Jahrhunderten nachwirken sollten. Ferner wurde die Garantie der grund- und leibherrlichen Rechte wieder aufgeführt, aber gegenüber Herren, welche die Verbündeten angreifen, ausdrücklich aufgehoben. Der Bund von 1315 galt in der Chronistik und bis ins späte 19. Jahrhundert als das Gründungsdokument der Eidgenossenschaft.

Im März 1316 anerkannte König Ludwig der Bayer die Rechte und Privilegien der drei Länder. Herzog Leopold verfolgte seine Ziele weiter und bereitete neue Aktionen gegen die Waldstätte vor. Der Kleinkrieg dauerte mit Zügen der Schwyzer ins Gasterland und der Unterwaldner gegen das Berner Oberland fort. Die isolierten Waldstätte schlossen 1318 mit Herzog Leopold einen Waffenstillstand, der jeweils um ein Jahr verlängert wurde. Das Bündnis der Waldstätte mit der Stadt Bern von 1323 und jenes zwischen Schwyz und Glarus vom gleichen Jahr gehören in den Zusammenhang des noch keineswegs beigelegten Konflikts mit der Herrschaft Österreich.

Überlieferung und Forschungsstand

Von den zeitgenössischen Chronisten berichtet insbesondere Johannes von Winterthur ausführlich über die Schlacht. Sein Text lehnt jedoch an alttestamentliches Geschehen, vor allem aus den Büchern Judith, Esther und Jeremias, an. Entsprechend schwierig gestaltet sich das Herausschälen originaler Elemente. In der eidgenössischen Chronistik des 15. und 16. Jahrhunderts fällt auf, dass die Schlacht am Morgarten und der Morgartenkrieg im «Weissen Buch von Sarnen» unerwähnt bleiben.

Zur Schlacht am Morgarten stellen sich zahlreiche Einzelfragen, die ausgiebig und teils kontrovers behandelt wurden: Die Diskussion um den genauen Ort des kriegerischen Geschehens führte im frühen 20. Jahrhundert zu einem Streit zwischen Schwyz und Zug um den Standort des Morgartendenkmals. Warum Leopold nicht den einfacheren Weg über Arth nach Schwyz wählte, sofern er überhaupt dorthin ziehen wollte, wurde im Zusammenhang mit der Hünenberger Pfeilbotschaft oft diskutiert. Nach der Überlieferung sollen Edelleute von Hünenberg mehrere Pfeile mit der Nachricht «Hütet Euch am Morgarten» zu den Schwyzern geschossen und diese so gewarnt haben. Die Fragen nach der beidseitigen Truppenstärke und der Zahl der Gefallenen nehmen ebenfalls breiten Raum ein. Die Angaben von mehreren zehntausend Mann auf österreichischer Seite sind übertrieben, vielleicht waren es einige Tausend; diesen standen wohl rund tausend Waldstätter, zur Hauptsache Schwyzer, gegenüber. Neuere Untersuchungen sprechen von einigen Hundert gefallenen österreichischen Rittern und Fusssoldaten, wogegen nach der durch die Jahrzeitbücher beglaubigten Tradition nur wenige Waldstätter umgekommen sein sollen. Ausführlich wurde, meist allerdings aus moderner Sicht, über Gefechtstechnik und Taktik debattiert. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die nach vielen Autoren im Rahmen eines Gesamtplans vorgenommene Nebenaktion des Grafen Otto von Strassberg gegen Obwalden. Nach Meinung anderer fand eine solche zwar statt, aber nicht gleichzeitig mit dem Vorstoss Herzog Leopolds nach Morgarten.

Die Erinnerungskultur

Die Vorgänge am Morgarten wurden in der traditionellen Sichtweise zur ersten Freiheitsschlacht der Eidgenossen und zur Entscheidung über das Schicksal des jungen eidgenössischen Bunds (Befreiungstradition). In junger Zeit wurde das lange auf die Waldstätte als Kern der Eidgenossenschaft ausgerichtete Geschichtsbild modifiziert; es machte einer nüchterneren Betrachtungsweise Platz. Nach dem 15. November 1315 waren die Gegensätze in Schwaben und der Innerschweiz jedenfalls nicht beendet, und Habsburg-Österreich war nicht entscheidend geschwächt.

Wandmalerei des Münchner Malers Ferdinand Wagner am Rathaus von Schwyz, 1891 © Fotografie Staatsarchiv Schwyz.
Wandmalerei des Münchner Malers Ferdinand Wagner am Rathaus von Schwyz, 1891 © Fotografie Staatsarchiv Schwyz. […]

Bedeutender als das Ereignis von 1315 ist seine spätere politische Wertung als zentrales Element der eidgenössischen Gründungsgeschichte. Neben die kirchliche Schlachtjahrzeit des Spätmittelalters als lokale Erinnerungsfeier trat im 19. und 20. Jahrhundert die weltliche Erinnerungskultur mit Gedenktagen und Schlachtfeiern sowie der Errichtung eines Denkmals auf dem zugerischen Buchwäldli (1908) und dem Morgartenschiessen (seit 1912). Seit 1957 wird zudem in der schwyzerischen Schornen ein Pistolenschiessen durchgeführt. Bei der Morgartenkapelle (Anfang des 16. Jh. erstmals erwähnt) in der Schornen entstand auf die national konzipierte 650-Jahr-Feier hin eine Gedenkstätte, wo noch heute die jährlichen Schlachtfeiern, getragen von der Gemeinde Sattel, dem Bezirk und dem Kanton Schwyz unter Mitwirkung des Kantons Zug, stattfinden. Das Kerngelände um Kapelle, Gedenkstätte und Letziturm wird von der 1965 gegründeten Stiftung der schweizerischen Schuljugend zur Erhaltung des Schlachtfeldes von Morgarten betreut. Innerhalb der Ikonografie prägte das von Ferdinand Wagner 1891 geschaffene Wandbild am Schwyzer Rathaus das Bild von der Schlacht am nachhaltigsten. Der 1941 von Leopold Lindtberg gedrehte Film «Landammann Stauffacher», der die Ereignisse vor Ausbruch des Morgartenkriegs zeigt, trug zur Geistigen Landesverteidigung bei. Die Erinnerungskultur vor dem Hintergrund der traditionellen Sichtweise und die neuere Bewertung der Ereignisse um 1315 stehen in einem durchaus ambivalenten Nebeneinander.

Quellen und Literatur

  • W. Oechsli, Die Anfänge der Schweiz. Eidgenossenschaft, 1891, Regesten 551 a-q
  • QW I/2
  • C. Amgwerd, «Die Schlacht und das Schlachtfeld am Morgarten», in MHVS 49, 1951, 1-128
  • B. Meyer, «Die Schlacht am Morgarten», in SZG 16, 1966, 129-179
  • M. Schnitzer, Die Morgartenschlacht im werdenden schweiz. Nationalbewusstsein, 1969
  • H.R. Müller, Morgarten, 1986
  • P. Blickle, «Friede und Verfassung», in Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft 1, 1990, 44-50
  • C. Henggeler, "Der dritte Morgartenkrieg", 1990
  • B. Sutter, «Morgarten, ein Erinnerungsort zwischen Gesch. und Tradition», in Zug erkunden, 2002, 280-303
  • R. Sablonier, Gründungszeit ohne Eidgenossen, 2008, 141-160
  • MHVS 107, 2015
  • «Neue Sicht(en) auf Morgarten 1315?», in Gfr. 168, 2015, 7-210
  • B. Meier, Von Morgarten bis Marignano, 2015
  • J.-D. Morerod, «La bataille de Morgarten a bel et bien eu lieu», in Passé simple, 2015, H. 8, 18-21
Weblinks

Zitiervorschlag

Josef Wiget: "Morgartenkrieg", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.12.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008726/2015-12-02/, konsultiert am 28.03.2024.