de fr it

Brienzersee

"Elisabeth Grossmann, die schöne Schifferin von Brienz". Nach einem Gemälde von Joseph Reinhart um 1815 gefertigte kolorierte Aquatinta von Johann Emanuel Locher, veröffentlicht um 1820 bei Johann-Peter Lamy in Bern und Basel (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
"Elisabeth Grossmann, die schöne Schifferin von Brienz". Nach einem Gemälde von Joseph Reinhart um 1815 gefertigte kolorierte Aquatinta von Johann Emanuel Locher, veröffentlicht um 1820 bei Johann-Peter Lamy in Bern und Basel (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Oberer und östlicher der beiden grossen Seen am oberen Aarelauf im Berner Oberland. Mit 30 km² ist der Brienzersee etwas kleiner als der benachbarte Thunersee und wie dieser von schmaler, lang gezogener Form. Beide Längsufer steigen steil an. Neben den schadenintensiven Wildbächen des Brienzergrats tragen auch die Hauptzuflüsse Aare und Lütschine viel Geschiebe in den Brienzersee, der durch die Aare in den Thunersee entwässert wird. Die Lütschine soll im Hochmittelalter auf Veranlassung des Klosters Interlaken eingedämmt worden sein, um Überschwemmungen des Bödeli zu verhindern; es wird sich jedoch kaum um eine Umleitung der Lütschine in den Brienzersee gehandelt haben. Am Nordufer finden sich sechs kleinräumige Kernsiedlungen, von denen nur Brienz von einiger Bedeutung ist. Am Südufer liegt einzig Iseltwald, am westlichen Seeufer Bönigen. Bereits im Spätmittelalter behaupteten die Seegemeinden, das im 14. Jahrhundert unterhalb von Unterseen erbaute Aarewehr des Klosters Interlaken habe den Seespiegel angehoben und so zur Versumpfung des Aaretals unterhalb von Meiringen geführt. 1866-1875 wurde der Brienzersee tiefer gelegt und die Aare zwischen Meiringen und Brienz sowie beim Seeabfluss bei Interlaken-Ost korrigiert. Heute weist der Brienzersee überdurchschnittlich viele naturbelassene Uferabschnitte auf.

Im Hochmittelalter war das Gebiet am Brienzersee Reichslehen, rechtsufrig (mit Alpen am linken Ufer) vom 13. Jahrhundert an der Freiherren von Ringgenberg, linksufrig unter anderen der Freiherren von Eschenbach. Das linke Ufer war dünn besiedelt und weitgehend vom Forst Iseltwalt (1146) bedeckt. Ein Teil davon kam 1146 durch königliche Schenkung an das Kloster Interlaken. Dieses erwarb im 14. Jahrhundert das ganze linke Ufer, 1411 bzw. 1439 von den Erben der Ringgenberger auch das rechte Ufer. Somit besass das Kloster die Herrschaft über den See und seine Umgebung bis zu den Bergkämmen. In der Reformation fiel der gesamte Besitz an die Stadt Bern, die in der Folge Fischerei (u.a. 1617, 1745, 1784) und Schifffahrt (1562, 1618) einheitlich regelte und beaufsichtigen liess. 1803 kam die Fischereiaufsicht an den Kanton Bern, nach 1848 auch an den Bund.

Wegen der topografischen Verhältnisse dominierte bis ins 20. Jahrhundert der Seeverkehr. Am oberen Seeende diente zunächst die Sust im Kienholz als Lande- und Umschlagplatz des Transitverkehrs. vermutlich infolge zahlreicher Murgänge der örtlichen Wildbäche wurde die Sust zwischen 1610 und 1624 nach Tracht verschoben, näher zu Brienz. Am unteren Ende lag die Landestelle beim Zollhaus (Interlaken). Die Weiterfahrt auf der Aare war bis zur Stadt Unterseen (bis 1819) möglich. Hier zwang das Aarewehr des Klosters Interlaken zum Verlad auf Karren. Auch der lokale Verkehr benutzte vorzugsweise den Seeweg; die Landwege ausserhalb der Dörfer blieben schlecht ausgebaute Karrwege. Die Brienzer Bauern besorgten über den See ihr Vieh am Brienzerberg. Die Ringgenberger verluden ihr Vieh auf Kähne, um die Tschingelalp zu erreichen. Der See diente auch der Flösserei von Hölzern aus den Wäldern am Südufer. Die Steinhauer von Goldswil luden die Bausteine direkt auf Lastkähne. Müller, Bäcker und Hausierer führten ihre Waren über den See in die Uferdörfer. Der öffentliche Schiffsverkehr auf beiden Seen sowie der Fuhrtransport auf dem Bödeli unterstand der bernischen Obrigkeit. Die sogenannte Schiffsbesatzung fand alle zwei Jahre wechselweise in Interlaken und Unterseen unter dem Vorsitz der Landvögte von Interlaken und Thun sowie des Schultheissen von Unterseen statt. Gewählt wurden für den Thunersee und Brienzersee je ein Schiffmann (Vorsteher von Schiffsbetrieb und Sust) sowie Schiff- und Fuhrleute. Löhne und Transportpreise waren tarifiert.

1839 fuhr, gegen den Widerstand der öffentlichen und privaten Schiffer, das erste Dampfschiff auf dem Brienzersee. Die Dampfschifffahrt diente in der Folge überwiegend dem touristischen Personenverkehr. Zu ihrem Angebot gehörte auch ein Märitschiff sowie ein dreimal wöchentlich verkehrendes Postschiff. Daneben ruderten private Schiffer, unter ihnen die berühmten Brienzer Schifferinnen, ihre fremden Gäste über den See. Bis 1861 konnten die Dampfschiffe nur die drei Landestellen Interlaken-Ost, Giessbach und Brienz anlaufen. Mit den Stationen Bönigen (1861), Iseltwald (1871), Nieder- und Oberried (1877), Brienz-Dorf (1882), Ringgenberg (1888) und Goldswil (1957) verdichtete sich das Schifffahrtsnetz. Die ersten Bahnlinien (1872 Bödelibahn, 1888 Brünigbahn bis Brienz) dienten als Zubringer der Schifffahrt. Erst die durchgehende Linie Interlaken-Brienz führte 1916 zum Rückgang der Frequenzen auf dem See. Nach 1912 fusioniert und ab 1913 von der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn betrieben, fand die Schifffahrt auf Thunersee und Brienzersee im Ausflugstourismus ein neues Tätigkeitsfeld. Auf dem Landweg dient die erst seit 1865 durchgehende Brienzersee-Strasse dem Lokalverkehr am nördlichen Seeufer. 1988 wurde die nach langen Auseinandersetzungen in der zuvor fast unberührten Waldlandschaft des Südufers erbaute A8 eröffnet.

Quellen und Literatur

  • SSRQ BE II/6
  • K. Geiser, Brienzersee und Thunersee, 1914
  • H. Spreng, Der Brienzersee und seine Schiffahrt, 21989
  • H.A. Ebner, Schiffahrt auf dem Thuner- und Brienzersee, Liz. Bern, 1990
  • E. Liechti et al., Die Gesch. der Schifffahrt auf dem Thuner- und Brienzersee, 2002
Weblinks
Normdateien
GND
Systematik
Umwelt / See

Zitiervorschlag

Hans von Rütte: "Brienzersee", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.08.2004. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008656/2004-08-26/, konsultiert am 29.03.2024.