de fr it

BurgundLandgrafschaften

Im Raum Oberaargau-Westschweiz entstanden anstelle früherer karolingischer Grafschaften (Bargen-, Uf-, Aar-, Oberaargau usw.), aber nicht in deren Nachfolge, die Landgrafschaften Burgund (ze Búrgenden) und Burgundia circa Ararim (Burgund jenseits der Aare), wohl erst nach Auflösung des zähringischen Herzogtums und burgundischen Rektorats nach 1218 (Landgrafschaften). Sie dienten zur Wahrung von Reichsgut, zur Sicherung des Landfriedens und waren Standesgericht für Adel, Geistliche und freie Bauern.

Als Landgrafen in Burgundia circa Ararim, das die Gebiete links der Aare zwischen Stockhornkette und Jura bis zur Siggern umschloss, wirkten ab 1276 die Grafen von Nidau, ein Zweig des Hauses von Neuenburg. Nach deren Aussterben 1375 kam die Grafschaft, später Grafschaft Nidau genannt, mit der Herrschaft Nidau 1388 bzw. 1393 an Bern. Das Landgrafenamt in Burgund übte spätestens ab 1239/1240 der Graf von Buchegg aus, erstmals 1252 als lancravius, 1286 als langravius Burgundie bezeichnet. 1313 erzwangen die Herzöge von Österreich (von Habsburg) den Verzicht zugunsten der Grafen von Neu-Kyburg (von Kyburg). Der Landgrafentitel lag anfangs beim ältesten Sohn, später gleichzeitig bei verschiedenen Trägern. Die Landgrafschaft Burgund reichte rechts der Aare vom Berner Oberland bis zum Jurafuss und umfasste den Oberaargau und das Napfgebiet. Sie zerfiel in die Blutgerichtsbezirke bzw. Landgerichte Äusseres Amt Thun, Ranflüh (Emmental), Konolfingen, Zollikofen und Murgeten (Murgenthal). Jedes Landgericht zählte verschiedene Dingstätten (Gerichtsorte), wohin im Wechsel der Landgraf die Bewohner des Bezirks zum Landtag (Blutgericht) einberief. Der Landgraf urteilte über todeswürdige Kriminalfälle wie Raub, Mord, Totschlag oder Brandstiftung. Grenzen und Kompetenzen der Landgerichte sind aus Offnungen (1387-1409) bekannt. Im 14. Jahrhundert gewannen die Landgerichte auf Kosten der Landgrafschaft an Gewicht. Sie gingen 1406-1408 zusammen mit der Landgrafschaft als begehrte Rechtstitel an Bern über, nachdem die Stadt bereits im Burgdorferkrieg Teile der neu-kyburgischen Herrschaftsgebiete erworben hatte. Auf den Landgrafschaften Burgund und Burgundia circa Ararim baute Bern seine Landvogteiverwaltung auf und zog allmählich alle Rechte der Landesherrschaft (Blutgericht, Steuerrecht, Heerbann, Jagd, Fischfang, Hochwälder usw.) in beiden Territorien an sich. Obschon die Landgrafschaften ab dem 15. Jahrhundert ihre Funktion als Reichsämter verloren hatten, diente ihr Besitz Bern bis ins 17. Jahrhundert zur Stützung von Ansprüchen der Landesherrschaft.

Die Bezeichnungen Kleinburgund für die Landgrafschaft Burgund und Aarburgund für Burgundia circa Ararim sind eine gelehrte Konstruktion Aegidius Tschudis im 16. Jahrhundert und fanden fälschlicherweise Eingang in die Literatur.

Quellen und Literatur

  • Flatt, Karl H.: Die Errichtung der bernischen Landeshoheit über den Oberaargau, 1969 (Archiv des historischen Vereins des Kantons Bern, 53).
  • Dubler, Anne-Marie: «Adels- und Stadtherrschaft im Emmental des Spätmittelalters», in: Dubler, Anne-Marie: Staatswerdung und Verwaltung nach dem Muster von Bern. Wie der Staat vom Mittelalter an entstand und sein Territorium verwaltete – und wie die Bevölkerung damit lebte, 2013, S. 33-109 (Archiv des historischen Vereins des Kantons Bern, 90).

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Burgund (Landgrafschaften)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.01.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008572/2015-01-28/, konsultiert am 29.03.2024.