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Botanik

Beim Zeichnen einer Pflanze. Kolorierter Holzschnitt aus der Erstausgabe der Abhandlung De historia stirpium commentarii insignes von Leonhart Fuchs, erschienen in Basel 1542 (Bibliothèque de Genève).
Beim Zeichnen einer Pflanze. Kolorierter Holzschnitt aus der Erstausgabe der Abhandlung De historia stirpium commentarii insignes von Leonhart Fuchs, erschienen in Basel 1542 (Bibliothèque de Genève).

Als Teilgebiet der Biologie umfasst die Botanik (auch Pflanzenkunde/Phytologie, Pflanzenbiologie) das Wissen über Kultur- und Heilpflanzen (Pflanzenzüchtung), systematisch erstmals von den Griechen geordnet. Erhalten sind unter anderem zwei botanische Schriften von Theophrastos (4./3. Jahrhundert v.Chr.) und das Werk «De materia medica» des römischen Militärarztes Dioskorides (um 60 n.Chr.), das mit ca. 600 Pflanzenbeschreibungen bis ins 17. Jahrhundert als Grundlage der Arzneimittellehre (Pharmazie) und Botanik galt. Benutzt wurden bis in die Neuzeit auch Plinius' «Naturalis historiae libri XXXVII».

Porträt des Basler Anatomen und Botanikers Caspar Bauhin. Stich von Théodore de Bry auf dem Titelblatt des Theatrum anatomicum, das Bauhin 1605 veröffentlichte (Universitätsbibliothek Basel).
Porträt des Basler Anatomen und Botanikers Caspar Bauhin. Stich von Théodore de Bry auf dem Titelblatt des Theatrum anatomicum, das Bauhin 1605 veröffentlichte (Universitätsbibliothek Basel).

Im Mittelalter pflegten die Klöster, zum Beispiel St. Gallen, Reichenau oder Allerheiligen (SH), Heilkräuter-Gärten (Heilkräuter), die während rund tausend Jahren dem Bauerngarten (Gärten) als Vorbild dienten. Aus dem 9. Jahrhundert stammen die Gartenbeschreibung im St. Galler Klosterplan und der «Liber de cultura hortorum» des Reichenauer Mönchs Walahfrid Strabo (809-849). Im 16. Jahrhundert erfuhr die Botanik eine grundlegende Erneuerung durch den späteren Berner Stadtarzt Otto Brunfels, durch Hieronymus Bock (1498-1554) und Leonhart Fuchs (1501-1566), die aufgrund eigener Beobachtungen illustrierte Kräuterbücher verfassten und als «Väter der deutschen Pflanzenkunde» gelten. Das Hauptwerk von Leonhart Fuchs erschien 1542 bei Michael Isengrin in Basel, wo auch andere frühe Kräuterbücher erschienen. Konrad Gessner, der sich in zwei privaten botanischen Gärten um die Aufzucht von Wildpflanzen bemühte, veröffentlichte mit der Unterstützung seiner Korrespondenten Benedikt Aretius in Bern, Johann Fabricius Montanus in Chur, Fridolin Brunner in Glarus und Kaspar Ambühl in Sitten erste botanische Exkursionsberichte von Bergbesteigungen (Pilatus 1555, Stockhorn und Niesen 1558, Calanda 1559). Sein Pflanzenbuch mit äusserst exakten Bildanalysen blieb unvollendet. Der Anatom und Botaniker Caspar Bauhin baute die botanische Systematik aus, begründete 1589 den ersten botanischen Garten der Universität Basel und legte ein Herbarium von über 4000 Pflanzen an. Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert unternahm Johann Jakob Scheuchzer neun botanische Schweizerreisen. Scheuchzers Schüler Johannes Gessner führte während der gemeinsamen Basler Studienzeit Albrecht von Haller in die Botanik ein. Haller baute im Lauf der Jahre ein Netz örtlicher Helfer auf und veröffentlichte nach eigenen Reisen 1742 in Göttingen das erste umfassende, wissenschaftlich fundierte Werk über die Pflanzen der Schweiz, das 1768 in einer zweiten, vollständig überarbeiteten Fassung erschien. Daraus ergab sich ein nachhaltiger Impuls zur Erforschung der Alpenflora, die neben einheimischen Gelehrten auch ausländische Forscher (Thomas Blaikie, Johann Christoph Schleicher, Robert James Shuttleworth) anzog. Die Botanik löste sich in dieser Zeit allmählich von der Medizin, mit der sie durch die Heilmittelkunde noch bis ins 19. Jahrhundert vielerorts institutionell und personell verbunden war.

In Genf bildete sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein weltweit anerkanntes botanisches Zentrum, an dem bis 1850 beinahe 100 Gelehrte wirkten. Vier Ereignisse markieren diesen Aufschwung: die Gründung der Société de physique et d'histoire naturelle de Genève 1791, die Schaffung eines botanischen Unterrichts an der Genfer Akademie 1802, die Gründung der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 1815 (Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften) sowie die Errichtung des Conservatoire botanique 1824. Zu den bekannteren frühen Genfer Botanikern gehören neben Jean-Jacques Rousseau vor allem Charles Bonnet, Jean Senebier und Nicolas Théodore de Saussure. Diese befassten sich mit dem Gasaustausch und der Ernährung der Pflanzen und führten experimentelle und erstmals auch quantitativ-messende Methoden in die Pflanzenphysiologie ein. Mit dem nachfolgenden Augustin-Pyramus de Candolle und seinem Sohn Alphonse begann das goldene Zeitalter der Genfer Botanik. Beide hatten sich in Paris ausgebildet und interessierten sich vor allem für Pflanzengeografie und die botanische Nomenklatur.

Jean-Jacques Rousseau beim Pflanzensammeln. Stich nach einer Federzeichnung von Frédéric Mayer (Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier).
Jean-Jacques Rousseau beim Pflanzensammeln. Stich nach einer Federzeichnung von Frédéric Mayer (Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier).

Auch in Zürich und Bern war die weitere Entwicklung der Botanik eng mit den 1746 bzw. 1786 gegründeten Naturforschenden Gesellschaften (Gelehrte Gesellschaften) verknüpft, die durch die Führung von botanischen Gärten, naturwissenschaftlichen Sammlungen und Bibliotheken günstige Voraussetzungen für die Errichtung von Lehrstühlen an den Hochschulen schufen. In Zürich, im 19. und 20. Jahrhundert ein weiteres Zentrum der Botanik von internationaler Bedeutung, wirkte während beinahe fünfzig Jahren der Paläobotaniker Oswald Heer, Gründer des Botanischen Museums (1855) und der botanischen Sammlungen (1859) des Eidgenössischen Polytechnikums (heute ETH). Das Institut für Systematische Botanik an der Universität Zürich gründete 1895 Hans Schinz. Eduard August Rübel errichtete 1918 ein privates geobotanisches Forschungsinstitut, das er 1958 der ETH schenkte. Unter Oswald Heers Nachfolgern wurden die botanischen Sammlungen systematisch ausgebaut, sodass Zürich – nach der Vereinigung der Herbarien an der ETH und der Universität 1990 – wie Genf eine der etwa zwanzig grössten Herbariensammlungen der Welt besitzt. Den Lehrstuhl für Botanik in Bern hatten 1860-1933 Ludwig Fischer und sein Sohn Eduard inne, die sich vor allem mit Floristik und Mykologie befassten.

Eine Bildtafel aus den Recherches chimiques sur la végétation von Nicolas Théodore de Saussure, erschienen 1804 in Paris (Bibliothèque de Genève).
Eine Bildtafel aus den Recherches chimiques sur la végétation von Nicolas Théodore de Saussure, erschienen 1804 in Paris (Bibliothèque de Genève). […]

In Basel wurde 1836 – nach beinahe 250 Jahren – die personelle und institutionelle Verbindung von Anatomie und Botanik gelöst. Der erste Ordinarius für Botanik, Karl Friedrich Meissner, verlegte den Botanischen Garten 1838-1840 von der Predigerkirche zum Aeschentor. Der Jurist Hermann Christ widmete sich der Erforschung der alpinen Vegetation, des Bauerngartens und der Farnsystematik; August Binz gab eine beliebte Schul- und Exkursionsflora heraus.

Das Bestehen Naturforschender Gesellschaften begünstigte auch an der Akademie Lausanne die Entwicklung der Botanik; Edouard-Louis Chavannes wurde dort 1835 erster Extraordinarius für dieses Fach. An der Neuenburger Akademie wurde erst 1868 ein halber Lehrstuhl für Botanik geschaffen. Erster bedeutender Amtsinhaber war Henri Spinner; ihm folgte 1946 Claude Favarger, der das Neuenburger Institut für Botanik aufbaute. In Freiburg vertrat Max Westermaier die Botanik ab 1896 an der neu gegründeten Universität.

Mandragora (Alraune). Zeichnung aus dem Pflanzenbuch von Hieronymus Bock, Mitte 16. Jh. (Pharmaziemuseum der Universität Basel; Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf).
Mandragora (Alraune). Zeichnung aus dem Pflanzenbuch von Hieronymus Bock, Mitte 16. Jh. (Pharmaziemuseum der Universität Basel; Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf).

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte eine rasche Zunahme der Studentenzahlen und der Aufgaben in den botanischen Fächern zu einer weiteren Aufteilung der Forschungsrichtungen an den Hochschulen und zu einer Aufstockung des Lehrkörpers. Gleichzeitig verstärkten sich die Beziehungen der Botanik zu anderen Wissenschaften, wodurch sie zunehmend nach übergeordneten, allgemein-biologischen Gesichtspunkten betrieben wurde (molekulare, technische und ökologische Biologie). An der ETH Zürich bewirkte diese Entwicklung zum Beispiel zahlreiche Neugründungen von Instituten (1963 Mikrobiologie, 1974 Zellbiologie, 1979 Wald- und Holzforschung, 1986 Pflanzenwissenschaften, 1990 Terrestrische Ökologie etc.), an denen 1990 insgesamt 42 Dozenten unterrichteten. Zugleich wurden die alten Institute für allgemeine und spezielle Botanik 1986 bzw. 1980 aufgelöst und deren Reste im neu gegründeten Institut für Pflanzenwissenschaft untergebracht. An den meisten anderen schweizerischen Hochschulen ergab sich eine ähnliche Entwicklung. Hinzu kam die Einrichtung ausseruniversitärer Institutionen, wie zum Beispiel der eidgenössischen landwirtschaftlichen Forschungsanstalten, der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft sowie der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz, wie auch die Bildung von Forschungsgruppen in der chemischen Industrie. Schliesslich ist bis in die Gegenwart auch die private Beschäftigung mit der Botanik von Bedeutung, die sich in einer grossen Anzahl floristischer Studien (Flora) manifestiert. Die verschiedenen Beiträge gewinnen an Wichtigkeit, angesichts der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft, aber auch im Hinblick auf die Erhaltung und Erforschung der Artenvielfalt (Naturschutz).

Quellen und Literatur

  • E. Fischer, Flora helvetica 1530-1900, 1901 (Nachträge 1922)
  • C. Schröter, «Vierhundert Jahre Botanik in Zürich», in Verh. SNG, 2. Tl., 1917, 3-28
  • J. Briquet, Biographies des botanistes à Genève de 1500 à 1931, 1940
  • G. Senn, «Der Anteil der Schweiz an der Entwicklung der Botanik», in Die Schweiz und die Forschung 1, hg. von W. Staub, A. Hinderberger, 1941, 7-17
  • K. Mägdefrau, Gesch. der Botanik, 1973 (21992)
  • K. Mägdefrau, «Die ersten Alpen-Botaniker», in Jb. des Vereins zum Schutze der Alpenpflanzen und -Tiere 40, 1975, 33-46
  • A. Hauser, Bauerngärten der Schweiz, 1976
  • M. Rieder et al., Basilea botanica, 1979
  • Les savants genevois dans l'Europe intellectuelle du XVIIe au milieu du XIXe siècle, hg. von J. Trembley, 1987
  • H.P. Fuchs, «Histoire de la botanique en Valais», in Bull. de la Murithienne 106, 1988, 119-168; 109, 1991, 113-221
  • H.P. Ruffner et al., Die Zürcher Botanik auf dem Weg zur Moderne, 1990
  • H. Zoller et al., «Hundert Jahre Schweiz. Botan. Ges.», in Botanica helvetica 100, H. 3, 1990
  • P.-E. Pilet, Naturalistes et biologistes à Lausanne, 1991
  • K. Lauber, G. Wagner, Flora helvetica, 2 Bde., 1996 (32001)
Weblinks

Zitiervorschlag

Erwin Neuenschwander: "Botanik", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.01.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008257/2011-01-12/, konsultiert am 28.03.2024.