de fr it

Münsterlingen

Politische Gemeinde des Kantons Thurgau, Bezirk Kreuzlingen und ehemaliges Kloster. Die politische Gemeinde Münsterlingen liegt südöstlich von Kreuzlingen, sie wurde 1994 aus den ehemaligen Ortsgemeinden Scherzingen und Landschlacht der früheren Munizipalgemeinde Scherzingen (1803-1993) gebildet. 1125 Munsterlin. 2000 2599 Einwohner.

Das Benediktinerinnenkloster von Westen. Getönte Lithografie von Johann Andreas Pecht, publiziert im Thurgauischen Neujahrsblatt auf das Jahr 1854 (Schweizerische Nationalbibliothek).
Das Benediktinerinnenkloster von Westen. Getönte Lithografie von Johann Andreas Pecht, publiziert im Thurgauischen Neujahrsblatt auf das Jahr 1854 (Schweizerische Nationalbibliothek). […]

Die Tradition berichtet von einer sagenhaften Klostergründung durch eine Schwester des Abts Gregor von Einsiedeln (964-996), die das Haus der heiligen Walburga weihte. 1125 gestattete Kaiser Heinrich V. dem Konstanzer Bischof Ulrich von Dillingen die Restauration des Klosters und verlieh dazu verschiedene Gefälle. Papst Innozenz IV. bestätigte 1254 die Augustinerregel, Papst Alexander VI. 1497 in einer Bulle deren Beachtung bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Die Chorfrauen wurden im Spätmittelalter auch als Dominikanerinnen betrachtet, doch gehörten sie diesem Orden nicht an, nur ihre Seelsorger aus dem Predigerkloster St. Niklaus in Konstanz, die ab dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts für sie zuständig waren. Schirmvögte waren die Herren von Klingen, von deren Vogtei sich die Frauen 1288 loskauften. Das Kloster baute die Immunität für den Klosterbezirk aus und begann, eine Gerichtsherrschaft über ihre Höfe zu errichten. Im 14. Jahrhundert nahm die Stadt Konstanz das Kloster in sein Burgerrecht auf. 1460 geriet Münsterlingen unter die Kastvogtei der sieben eidgenössischen Orte und unterstand fortan deren hoher Gerichtsbarkeit. 1486 erwarb Münsterlingen vom Kloster Petershausen die Hälfte der Gerichtsherrschaft von Landschlacht. Die andere Hälfte kaufte das Kloster 1621 von elf Inhaberfamilien in Landschlacht. Durch die Gerichtsherrschaft erhielt Münsterlingen im 1509 vertraglich statuierten thurgauischen Gerichtsherrenstand Einsitz. Das Kloster behielt die niedere Gerichtsbarkeit unter anderem in Münsterlingen, Landschlacht, Uttwil, einem Teil von Schönenbaumgarten und Belzstadel bis 1798. Ab 1524 fand die Reformation im Kloster starken Anklang. Die Frauen besuchten Predigten in Konstanz und verheirateten sich; bald stand das Kloster leer, doch fanden in der Kirche noch reformierte Gottesdienste statt. Die im Thurgau regierenden fünf katholischen Orte stellten 1549 das Klosterleben mit Benediktinerinnen von Engelberg wieder her; Visitator war ab 1553 der Abt von Einsiedeln. Die Wahl der Äbtissin und des Beichtigers nahm der päpstliche Nuntius vor. In der Folge des Streits über die gemeinsame Benutzung der Klosterkirche zwischen der Äbtissin Magdalena Peter (1613) und den reformierten Bewohnern Scherzingens wurde in Scherzingen 1617-1618 die erste reformierte Kirche im Kanton Thurgau erbaut. 1709-1713 liess das Kloster nach Plänen von Franz Beer von Blaichten etwas westlich vom alten Standort und weiter landeinwärts ein neues Konventsgebäude errichten, die alten Gebäude wurden teilweise abgebrochen. Die Klosterkirche, 1711-1716 erbaut, folgte dem Vorarlberger Bauschema. Mit den Einquartierungen 1798-1803, der Säkularisation des Besitzes jenseits des Bodensees sowie etlichen Missernten von 1805-1817 geriet die klösterliche Ökonomie in Schwierigkeiten; die Schulden betrugen zeitweise 60'000 Gulden.

Diese finanzielle Last konnte das Kloster bis zur Unterstellung unter staatliche Verwaltung 1836 nur zum Teil abtragen. 1839 übernahm der Kanton Thurgau einen Gebäudeflügel und eröffnete darin 1840 das Kantonsspital; 1848 hob er das Kloster auf. 1849 betraute er den Arzt Ludwig Binswanger mit der Behandlung der psychisch Kranken. 1893-1894 erhielt diese Abteilung eigene Gebäude am See. 1972 war der rund 70 Mio. Franken teure Neubau des Kantonsspitals Münsterlingen nach langen Auseinandersetzungen bezugsbereit. 1999 wurden das Kantonsspital und die Psychiatrische Klinik Münsterlingen in die Spital Thurgau AG integriert. 2005 stellte der 3. Sektor 97% der Arbeitsplätze, die Klinik und das Spital beschäftigten allein 877 Personen.

Quellen und Literatur

  • StATG, Klosterarchiv
  • HS III/1, 1873-1881; IV/2, 353-373
  • W.-D. Burkhard, «Aus der Gesch. des Klosters Münsterlingen», in 150 Jahre Münsterlingen, 1990, 11-25
  • H. Maurer, «Eine angelsächs. "Königin" als Klostergründerin am Bodensee?», in Scripturus vitam, hg. von D. Walz, 2002, 443-452
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Erich Trösch: "Münsterlingen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.10.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008171/2008-10-08/, konsultiert am 29.03.2024.