de fr it

Colonia

Römische Kolonie

Die Colonia war ein zur Ansiedlung von Bürgern gegründeter Stadtstaat; sie bestand aus einem urbanen Mittelpunkt und einem Territorium, das beim Gründungsvorgang aus dem umliegenden Land eximiert, vermessen und in Landparzellen an die Siedler ausgegeben wurde (Vermessung).

Zwei Formen der Colonia sind überliefert: Die latinischen Kolonien, deren Bürger das latinische Bürgerrecht besassen, spielten vor allem vom 4.-2. Jahrhundert v.Chr. bei der Sicherung der römischen Herrschaft in Italien eine grosse Rolle. Die Kolonien römischen Rechts, deren Bürger cives Romani waren, dienten am Ende der Republik der Versorgung der Veteranen sowie des stadtrömischen Proletariats mit Land. Insbesondere Caesar und Augustus gründeten viele solche Bürgerkolonien in den mediterranen Provinzen. In der Kaiserzeit wurden bis ins 2. Jahrhundert hinein zwar noch vereinzelt neue Kolonien angelegt; weitaus häufiger erfolgten nun Erhöhungen des Rechtsstatus schon bestehender Städte durch Verleihung des Kolonietitels.

Verwaltung einer Colonia
Verwaltung einer Colonia […]

Die staatliche Struktur der römischen Bürgerkolonien war derjenigen Roms nachempfunden; unsere Hauptquelle diesbezüglich sind in Spanien gefundene Bronzetafelfragmente, die einzelne Satzungen aus dem Stadtrecht überliefern. An der Spitze der Gemeinde standen, ähnlich den beiden Konsuln in der Mutterstadt, zwei Bürgermeister (duoviri). Unter diesen rangierten zwei Ädilen, die für Marktaufsicht und Polizeiwesen verantwortlich waren. Zwei Quästoren vervollständigten bisweilen die Beamtenschaft. Die ehemaligen und amtierenden Magistraten – die Amtsdauer betrug ein Jahr – bildeten entsprechend dem Senat in Rom den meist 100-köpfigen Dekurionenrat (ordo decurionum), dessen Vorsitz die duoviri führten. Die Mitglieder des Dekurionenrats, der auch durch Zuwahl ergänzt werden konnte, mussten über ein gewisses Mindestvermögen verfügen. Auch die Priesterämter, in der Kaiserzeit vor allem die Kaiserpriester und Kaiserpriesterinnen, gehörten zur Kolonieverfassung. Entsprechend der Struktur der römischen Gesellschaft, in der Herkunft und Reichtum ausschlaggebend waren, bildeten die städtischen Beamten, Priester und Dekurionen die munizipale Oberschicht.

Teile des heutigen Tessins gehörten zu der im frühen 1. Jahrhundert v.Chr. gegründeten norditalienischen Colonia Comum (= Como) bzw. zur kaiserzeitlichen Colonia Mediolanum (Mailand). Nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v.Chr. wurden Kolonien in Nyon und in Augst angelegt, die zusammen mit Lyon bis zur Gründung von Köln unter Claudius (41-54) die nördlichsten römischen Bürgerkolonien waren und wichtige Vorposten der Romanisierung darstellten. Die Colonia Iulia Equestris (Nyon) weist neben den üblichen Magistraten und Priestern noch einen praefectus arcendis latrociniis auf: Das städtische Amt zur Bekämpfung des Räuberunwesens wurde offenbar infolge der Unruhen am Ende des 2. Jahrhunderts geschaffen. Ausserdem ist auch ein interrex (1. Jh. n.Chr.) überliefert. Epigrafische Hinweise auf angesiedelte Veteranen fehlen dagegen, die überlieferten Beamten entstammten der einheimischen Aristokratie und hatten enge Beziehungen zu Genf, einem vicus der Stammesgemeinde der Allobroger.

In der Kolonie Augusta Raurica wurden nur wenige Inschriftenfragmente gefunden, auf denen Beamten genannt werden: ein decurio, der alle Ämter der städtischen Laufbahn bekleidet hat, ein Bürgermeister (duumvir) und ein Vertreter der seviri Augustales. Dieses Kollegium bestand aus zu Wohlstand gekommenen Freigelassenen, welche die Kosten für aufwendige religiöse Feste zu übernehmen hatten. Die erhaltenen Namen sind einheimischen Ursprungs, wurden aber romanisiert. Die römische Bürgerkolonie lag in enteignetem Territorium der Rauriker. Die civitas Rauricorum (Civitas) bestand trotzdem in der frühen Kaiserzeit weiter; über ihr Gebiet weiss man allerdings nur sehr wenig.

Inschrift aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. (AVENTICUM - Site et Musée romains d'Avenches; Fotografie Gerold Walser).
Inschrift aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. (AVENTICUM - Site et Musée romains d'Avenches; Fotografie Gerold Walser). […]

Diskutiert wurde die Rechtsstellung der Kolonie Aventicum. Die civitas Helvetiorum, die Stammesgemeinde der Helvetier, war in augusteischer Zeit ein peregriner Stamm – die Stammesangehörigen hatten also bis auf wenige Ausnahmen nicht das römische Bürgerrecht inne – mit dem Vorort Aventicum (später wohl auch Forum Tiberii). In den Bürgerkriegen 69 n.Chr. erlitten die Helvetier, welche ursprünglich Galba unterstützten, eine Niederlage gegen die für Vitellius kämpfende Legio XXI Rapax. Nach seinem Sieg über Vitellius erhob Vespasian, den alte Beziehungen mit Aventicum verbanden, die helvetische Stammesgemeinde zur latinischen Kolonie (ältere Autoren: zur römischen Kolonie) mit dem Titel colonia Pia Flavia Constans Emerita Helvetiorum Foederata und siedelte wohl auch Veteranen dort an. Das latinische Recht war in der Kaiserzeit eine Vorstufe zum römischen Bürgerrecht: Die Magistrate der latinischen Kolonien erlangten durch die Übernahme eines städtischen Amts das römische Bürgerrecht, sofern sie dieses nicht ohnehin schon besassen. Die übrige Bevölkerung blieb dagegen peregrin und konnte nur über den Heeresdienst zu cives Romani aufsteigen; eine peregrine helvetische Auxiliarkohorte ist um die Mitte des 2. Jahrhunderts bezeugt. Neben den üblichen städtischen Magistraten (duoviri, aediles) sowie Kaiserpriester und -priesterin sind in Aventicum auch ein praefectus operum publicorum, ein Vorsteher der öffentlichen Bauten, sowie die sogenannten curatores coloniae (Coloni) nachgewiesen. Bei Letzteren handelt es sich offenbar um reiche Niedergelassene, die finanzielle Aufwendungen für die Colonia übernahmen.

Quellen und Literatur

  • H. Galsterer, «Coloniae», in Der Neue Pauly, 3, 1997, Sp. 76-86
  • R. Frei-Stolba, «Recherches sur les institutions de Nyon, Augst et Avenches», in Cités, municipes, colonies, hg. von M. Dondin-Payre und M.-T. Raepsaet-Charlier, 1999, 29-95 (mit Bibl.)
Weblinks

Zitiervorschlag

Regula Frei-Stolba: "Colonia", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 24.02.2005. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007868/2005-02-24/, konsultiert am 18.04.2024.