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Angelo MariaStoppani

10.8.1768 Lugano, 14./15.1.1815 Lugano, katholisch, von Ponte Tresa, Lugano und Como. Liberaler Tessiner Politiker, Mitglied des Kleinen Rats und während der Tessiner Verfassungswirren 1814 Präsident der provisorischen Regierung.

Postumes Porträt von Angelo Maria Stoppani, wahrscheinlich auf der Grundlage einer früheren Zeichnung erstellt. Öl auf Leinwand, zweite Hälfte 19. Jahrhundert, 59 x 48 cm (Privatsammlung).
Postumes Porträt von Angelo Maria Stoppani, wahrscheinlich auf der Grundlage einer früheren Zeichnung erstellt. Öl auf Leinwand, zweite Hälfte 19. Jahrhundert, 59 x 48 cm (Privatsammlung).

Angelo Maria Stoppani war das zweite Kind (und der älteste Sohn) der sechs namentlich bekannten Nachkommen des Nicola Stoppani, eines Luganeser Notabeln, und der Marianna Bellasi. Er besuchte das Somaskerkollegium Sant'Antonio in Lugano und etwa ab 1784 das Collegio San Luigi in Bologna. Während seiner Studienzeit hielt er sich nachweislich an der Universität Freiburg im Breisgau auf, wo er 1789 Kurse in römischem Zivilrecht belegte. 1790 schloss er an der Universität Pavia mit dem Lizenziat beider Rechte ab. Um 1791/1792 weilte er in Mailand, wo er sich bei Hofrat Luini sowie bei Hofrat und Generalstaatsanwalt Marquis Antonio Fortis weiterbildete und als Rechtsanwalt am königlichen Strafgerichtshof erste Berufserfahrungen sammelte. Dass er in den aristokratischen Salons Mailands verkehrte, unterstreicht die engen Verbindungen der Honoratioren Stoppani mit führenden Geschlechtern der Stadt. Spätestens 1794 kehrte er endgültig ins Tessin zurück und heiratete 1796 Marianna Carli, mit der er mindestens acht Kinder hatte. Zu den bekannten Exponenten aus Stoppanis engerem familiären Umfeld zählen sein Bruder Giovanni Battista Stoppani, sein Neffe Leone de Stoppani sowie der Ehemann seiner Schwägerin Regina Carli Francesco Capra, Befürworter des Anschlusses des Tessins an die Cisalpinische Republik und späterer Regierungsstatthalter sowie Bürgermeister von Lugano.

In Lugano war Stoppani als Rechtsanwalt tätig und bekleidete das Amt des Präfekten von Osteno im Val d'Intelvi. Im Februar 1798 tat er sich anlässlich der Aufstände in der Stadt hervor, sodass er unter anderem im März zum Sekretär der provisorischen Regierung von Lugano ernannt wurde, die bis Juli 1798 tagte. 1799 war er öffentlicher Ankläger, und 1801-1802 gehörte er dem Kantonsgericht von Lugano an. Mit den Idealen der Aufklärung und der Französischen Revolution war er unter anderem im «Jakobinerclub» um Abt Giuseppe Vanelli in Kontakt gekommen. Nun schloss er sich der gemässigt reformistischen Strömung des Liberalismus an, die sich unter anderem für eine Ausweitung der politischen Rechte einsetzte. Stoppani hatte als Vertreter der Notabeln kein Interesse an einem Anschluss des Tessins an die Cisalpinische Republik und plädierte stattdessen für den Verbleib bei der Eidgenossenschaft. Dank der traditionell schwachen Präsenz der Landvögte erhoffte er sich, die wirtschaftlichen Privilegien und den politischen Gestaltungsspielraum seiner Familie auch nach deren Absetzung sichern zu können.

Im jungen Kanton Tessin gelang es Angelo Maria Stoppani vorerst, an seine früheren politischen Erfolge anzuknüpfen: 1803-1813 war er Abgeordneter im Grossen Rat (1803 Präsident), 1803-1805 auch Mitglied des Kleinen Rats (Kantonsregierungen). Mit dem Ausscheiden aus der Regierung scheint seine politische Karriere etwas ins Stocken geraten zu sein. 1805-1807 trat er als Regierungskommissär in Erscheinung, 1806 und 1809 als Gesandter an die eidgenössische Tagsatzung (wobei er an Ersterer aufgrund seines Rücktritts nicht teilnahm). Zudem amtierte er 1809-1813 als Appellationsrichter (1811 Präsident) sowie 1810-1811 als Verwaltungsrichter. 1813 verpasste Stoppani seine Wiederwahl in den Grossen Rat. Mit den Verfassungswirren von 1814 ergaben sich für ihn neue Möglichkeiten: Nachdem die Tagsatzung die kantonalen Verfassungsprojekte vom März und Juli 1814 zurückgewiesen hatte, gaben die Tessiner Behörden dem Druck der Eidgenossenschaft nach und legten einen dritten, konservativer formulierten Entwurf vor (Kantonsverfassungen). Diesen lehnten die Tessiner Stimmberechtigten jedoch ab. Die grosse Unzufriedenheit in der Bevölkerung führte zu einer Protestbewegung, an deren Spitze sich Stoppani und andere Notabeln setzten. Vom 25.-30. August 1814 versammelten sich in Giubiasco die Abgeordneten aller Kreise, erklärten die soeben gewählten Kantonsbehörden für abgesetzt und ernannten an deren Stelle einen neuen Grossen Rat sowie eine provisorische Reggenza (Exekutive). Als deren Präsident wurde Stoppani gewählt. Die Verabschiedung einer neuen Verfassung führte allerdings zur inneren Spaltung unter den Aufständischen; vollends auseinander brach die Revolte, als die Eidgenossenschaft einen ausserordentlichen Kommissär sowie Truppen ins Tessin schickte, um der Lage Herr zu werden. Stoppani flüchtete in Richtung Como, wo seine Familie ein Stadthaus und Güter besass, wurde jedoch verhaftet. Er verstarb im Gefängnis unter nicht geklärten Umständen, wobei die offizielle Seite von einem Selbstmord sprach, seine Angehörigen aber von einer Ermordung ausgingen. Die Eidgenossenschaft hatte dem Verstorbenen ausserdem eine hohe Geldstrafe auferlegt, die seine Familie begleichen musste.

Entwurf der von der Familie Stoppani an die eidgenössische Tagsatzung eingereichten Petition, vermutlich von Giovanni Battista Stoppani nach dem 15. Januar 1815 verfasst. Manuskript, 27,5 x 18,5 cm (Archivio di Stato del Cantone Ticino, Bellinzona, Fondo De Stoppani, Inv. 13.11.1).
Entwurf der von der Familie Stoppani an die eidgenössische Tagsatzung eingereichten Petition, vermutlich von Giovanni Battista Stoppani nach dem 15. Januar 1815 verfasst. Manuskript, 27,5 x 18,5 cm (Archivio di Stato del Cantone Ticino, Bellinzona, Fondo De Stoppani, Inv. 13.11.1). […]

Quellen und Literatur

  • Archivio di Stato del Cantone Ticino, Bellinzona, De Stoppani.
  • Gili, Antonio (Hg.): I protocolli dei governi provvisori di Lugano 1798-1800, 2 Bde., 2010.
  • Greppi, Nino Ezio: La vita e l'opera dell'Avv. Angelo Maria De Stoppani, con numerosi documenti inediti, 1768-1815, 1932.
  • Ceschi, Raffaello: Il Cantone Ticino nella crisi del 1814, 1979 (20142).
  • Guzzi, Sandro: Logiche della rivolta rurale. Insurrezioni contro la Repubblica elvetica nel Ticino meridionale (1798-1803), 1994.
  • Gili, Antonio (Hg.): Lugano dopo il 1798. L’ex baliaggio tra 1798 e 1803, 1999 (Pagine storiche luganesi, 10).
  • Guzzi-Heeb, Sandro: «Dalla sudditanza all’indipendenza: 1798-1803», in: Ceschi, Raffaello (Hg.): Storia della Svizzera italiana dal Cinquecento al Settecento, 2000, S. 551-580.
  • Mariani Arcobello, Francesca: «Angelo Maria Stoppani (1768-1815) e Giovanni Battista Pioda (1786-1845), due biografie a confronto», in: Percorsi di ricerca, 2009/1, S. 35-46.
  • Mariani Arcobello, Francesca: «I moti costituzionali del 1814 e gli Stoppani: conseguenze di una crisi», in: Percorsi di ricerca, 2012/4, S. 39-52.
Weblinks
Normdateien
GND
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Kurzinformationen
Variante(n)
Angelo Maria de Stoppani
Familiäre Zugehörigkeit
Lebensdaten ∗︎ 10.8.1768 ✝︎ 14.1.1815

Zitiervorschlag

Francesca Mariani Arcobello: "Stoppani, Angelo Maria", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.02.2023, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006914/2023-02-02/, konsultiert am 28.03.2024.