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Lothringen

1960 geschaffene französische Region (Hauptort Metz), zu der die Departemente Meuse (Maas), Meurthe-et-Moselle (Meurthe und Mosel), Moselle (Mosel) und Vosges (Vogesen) gehören. Lothringen grenzt an den Hennegau, die Champagne, das Burgund und das Elsass, seine Nachbarn sind Deutschland, Luxemburg und Belgien. Lothringen war ein Teil der römischen Provinz Gallia Belgica (Belgica), als es von den Alemannen und später von den Franken (Teilkönigreich Austrasien) besetzt wurde. Als Teil Lotharingiens, von dem es seinen Namen hat, wurde Lothringen 880 dem ostfränkischen Reich zugeschlagen (Frankenreich). Bis 939 war es ein Stammesherzogtum. 959 teilte Otto I. das Gebiet Lothringen in zwei Herzogtümer auf, wobei Oberlothringen das heutige Lothringen umfasste. Das Herzogtum um Nancy gehörte zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und grenzte im Westen an die Grafschaft und das spätere Herzogtum Bar (Bar-le-Duc, Barrois). Die drei Fürstbistümer Metz, Toul und Verdun waren Enklaven. Als Ende des 15. Jahrhunderts unter derselben Dynastie die Herzogtümer Lothringen und Bar zu einem grossen Territorium vereinigt wurden, übte Frankreich vermehrt Druck aus: Es erlangte die Herrschaft über das Gebiet Barrois mouvant und annektierte die Drei Bistümer (1552, 1559 anerkannt). 1736 trat Herzog Franz III. sein Herzogtum im Tausch gegen das Grossherzogtum Toskana an den ungekrönten polnischen König Stanislaus Leszczyński ab, der es auf Lebenszeit erhielt. Als dieser 1766 starb, fiel es an Frankreich und wurde eine französische Landschaft. 1871-1914 waren der grösste Teil des Departements Mosel und einige Gebiete des Departements Meurthe deutsch (Reichsland Elsass-Lothringen). Im Zweiten Weltkrieg besetzte das Dritte Reich das Departement Mosel und unterstellte es 1940-1944 einem Gauleiter.

Herzog René II. bei seinem Besuch im Oktober 1476 in Luzern. Illustration in Diebold Schillings Luzerner Chronik, 1513 (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Eigentum Korporation Luzern).
Herzog René II. bei seinem Besuch im Oktober 1476 in Luzern. Illustration in Diebold Schillings Luzerner Chronik, 1513 (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Eigentum Korporation Luzern). […]

Obwohl Lothringen und das Gebiet der heutigen Schweiz zeitweilig zu denselben staatlichen Gebilden gehörten, sind ihre gegenseitigen Beziehungen wenig erforscht. Auf politischer Ebene erreichten sie ihren Kulminationspunkt während der Burgunderkriege. René II. von Lothringen verlor sein Herzogtum an Karl den Kühnen von Burgund, worauf er sich 1475 mit den Feinden seines Gegners vereinigte, um gegen diesen vorzugehen. In der Eidgenossenschaft versuchte René II., Verbündete zu finden und Truppen anzuwerben. Nachdem er in Murten an der Seite der Eidgenossen gekämpft hatte, gelang es ihm 1476, mit diesen ein Bündnis zu schliessen. Der Herzog brachte eine Streitmacht von 9000 Eidgenossen und 500 Baslern auf, mit der er nach Nancy zog, das vom Herzog von Burgund belagert wurde. Dort schlossen sich ihm die Elsässer Kontingente an. In der Schlacht bei Nancy verlor Karl der Kühne am 5. Januar 1477 sein Leben, während der Herzog und die Eidgenossen einen triumphalen Sieg errangen. René II., dem das Herzogtum Lothringen zurückerstattet wurde, mass dem Bündnis mit den eidgenössischen Orten grosse Bedeutung zu, zumal er auch Ambitionen auf die Provence und Gebiete Italiens hegte. Mindestens zweimal kam er noch in die Schweiz, um Söldner zu rekrutieren (1480, 1483). Seine Nachfolger pflegten die Beziehung zu den Eidgenossen weniger, Anton kämpfte in Marignano gar auf Seiten der Franzosen. Sie waren aber an einem guten Verhältnis mit den eidgenössischen Orten interessiert, hauptsächlich weil sie Söldner sowie Absatzmärkte für das lothringische Salz brauchten. Die diplomatischen Beziehungen waren unbedeutend, nur ausnahmsweise wurden ausserordentliche Gesandte abgestellt. 1790 meuterte in Nancy das in französischen Diensten stehende Regiment Châteauvieux, worauf die Schweizer Regimenter 1792 entlassen wurden.

Die wirtschaftlichen Beziehungen konzentrierten sich lange auf Basel. Von dort zogen Kauf- und Fuhrleute über die Vogesen nach Lothringen (Metz, Nancy, Messen in Saint-Nicolas-de-Port), verkauften Produkte aus der Mittelmeerregion und erwarben Rohstoffe und Fertigprodukte. Schweizer Trommeln verschiedenen Typs waren im 15. Jahrhundert in Metz sehr gefragt. Lothringer besuchten wahrscheinlich die Messen in Genf. Im 16. Jahrhundert betrieben Basler Kaufleute Glashütten in Vôge (Gemeinde Darney) und eröffneten eine Kupfergiesserei in Le Thillot. Wichtigste Handelsware war jedoch das Salz. In der Region Basel wurde es spätestens ab dem 15. Jahrhundert verkauft. Vom Bistum Basel ausgehend erfuhr der Handel bis ins 18. Jahrhundert einen Aufschwung und erreichte die Städte Solothurn und Bern, dann auch Zürich und Luzern. Preis und Qualität begründeten den Erfolg der Ware. Die lothringischen Fürsten und der König von Frankreich setzten das Salz gegenüber der Schweiz als diplomatisches Mittel ein, wobei um 1760-1770 jährlich rund 50'000 Zentner importiert wurden.

Der kulturelle Austausch war von geringerer Bedeutung. Der Literatenkreis von Saint-Dié-des-Vosges (sogenanntes gymnase vosgien) stand mit den Basler Humanisten in Verbindung. Bis ins 18. Jahrhundert besuchten rund hundert lothringische Studenten die Universität Basel. Zu ihnen gehörten Jean Lud, der Sekretär von René II., sowie der spätere Reformator Pierre Toussaint. Aus der Schweiz kamen die reformierten Prediger in Lothringen, hauptsächlich jene in Metz (Guillaume Farel). Die bis 1685 in den französischen Gebieten Lothringens lebenden Pastoren waren in Genf ausgebildet worden. In der Schweiz fand auch die reformierte Minderheit Zuflucht, nachdem Lothringen zu einem Zentrum der Gegenreformation geworden war, die vor allem von Herzog Karl III. und seinen Cousins, den Herzögen von Lothringen-Guise, betrieben worden war (1572 Universität Pont-à-Mousson). In Genf starb beispielsweise der Bildhauer Ligier Richier (1567).

Im 19. und 20. Jahrhundert veränderten sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und Lothringen wegen des politischen und wirtschaftlichen Wandels, sie wurden jedoch nicht intensiviert. An der ETH ausgebildete Ingenieure waren in den lothringischen Bergwerken und Fabriken tätig und lösten die Söldner ab. Die italienischen Auswanderer durchquerten die Schweiz, um nach Lothringen zu gelangen. Die Industrieunternehmung Société Pont-à-Mousson (heute Saint-Gobain PAM) unterhielt 1899-1914 in Basel ein Einstellungsbüro. Produkte der Glashütten (Saint-Gobain, Baccarat) und der Stahlwerke (bis um 1960) ersetzten das Salz, das ab Anfang des 19. Jahrhunderts nicht mehr ausgeführt wurde. Nestlé übernahm die Mineralwasserquellen in Vittel und Contrexéville 1992 und führte so die Basler Investitionen fort, welche die Schaffung von Fabriken in den Vogesen ermöglicht hatten.

Quellen und Literatur

  • W. Mohr, Gesch. des Herzogtums Lothringens, 4 Bde. 1974-86
  • Histoire de la Lorraine, hg. von M. Parisse, 1977 (41987)
  • Histoire de la Lorraine, hg. von G. Cabourdin, 7 Bde., 1990-94
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Pierre Pégeot: "Lothringen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.04.2009, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006631/2009-04-02/, konsultiert am 13.04.2024.