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GottliebDuttweiler

Gottlieb Duttweiler in seinem privaten Arbeitszimmer, um 1950. Fotografie von Theo Frey (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Eidgenössisches Archiv für Denkmalpflege, Sammlung Frey).
Gottlieb Duttweiler in seinem privaten Arbeitszimmer, um 1950. Fotografie von Theo Frey (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Eidgenössisches Archiv für Denkmalpflege, Sammlung Frey).

15.8.1888 Zürich, 8.6.1962 Zürich, von Oberweningen, ab 1901 von Zürich. Sohn des Gottlieb, Verwalters des Lebensmittelvereins Zürich, und der Elisabetha geborene Gehrig, von Ammerswil. 1913 Adele Bertschi, Tochter des Samuel, von Horgen. Kaufmännische Lehre. 1905 trat Gottlieb Duttweiler in das Handelsgeschäft Pfister & Sigg in Zürich ein und entfaltete eine erfolgreiche Handelstätigkeit. Nach gewagten Spekulationen im Ersten Weltkrieg und einem gescheiterten Versuch als Farmer in Brasilien gründete er 1925 in Zürich die Migros. Mit fahrenden Läden, einem auf lebensnotwendige Güter beschränkten Sortiment und runden Preisen leitete er eine Revolution im Schweizer Detailhandel ein. Der Erfolg des Aussenseiters löste bei den herkömmlichen Detaillisten heftige Reaktionen (zahlreiche Prozesse) aus, die dem kampflustigen Duttweiler grosse Publizität verschafften. Zusätzliche Sympathie erlangte er durch idealistische Massnahmen, wie den Verzicht auf den Verkauf von Alkohol und Tabakwaren bei der Migros. Persönliches Sendungsbewusstsein und behördliche Massnahmen (Filialverbot 1933) trieben Duttweiler in die Politik. Seine Liste der «Unabhängigen» erzielte 1935 einen sensationellen Erfolg: er und sechs weitere Listenmitglieder wurden auf Anhieb in den Nationalrat gewählt. 1936 gründete er den Landesring der Unabhängigen, dessen erster Präsident (Landesobmann) er war. Duttweilers politische Karriere war von Höhen und Tiefen geprägt: seine öffentliche Kritik an der anpasserischen Rede von Bundesrat Marcel Pilet-Golaz, die ihm den Ausschluss aus der Vollmachtenkommission eintrug, bewog ihn 1940 zum demonstrativen Rücktritt als Berner Nationalrat. 1943-1949 war er erneut (Zürcher) Nationalrat, 1949-1951 Zürcher Ständerat, danach bis zu seinem Tod Berner Nationalrat.

1935 gründete Duttweiler die wöchentlich erscheinende Zeitung Die Tat (1939 Umwandlung in eine Tageszeitung), 1942 die Wochenzeitung Brückenbauer. Der begabte Journalist verfasste die meisten seiner oft humorvollen Inserate selber, die als «Zeitung in der Zeitung» erschienen. Anfänglich nur ein erfolgreicher Grosskaufmann, strebte er bald die Verbilligung von Lebensmitteln für den Konsumenten an, was in der Öffentlichkeit als «handelsmessianische Besessenheit» bezeichnet wurde; 1940-1941 erfolgte dann der entscheidende Schritt zur Umwandlung der Migros-Aktiengesellschaft in Genossenschaften. Duttweilers Hauptverdienst dürfte aber auf dem Gebiet des kulturellen Mäzenatentums liegen. Die Schaffung des Kulturprozents 1957, wonach ein Prozent des jährlichen Umsatzes (nicht des Gewinns!) der Migros für kulturelle, wirtschaftspolitische und soziale Zwecke zu verwenden ist, war eine Pioniertat (1999 ca. 121 Mio. Franken). Dank straffer Statuten der Gottlieb-und-Adele-Duttweiler-Stiftung (1957) verstand es Duttweiler, sein Ideengut auch über den Tod hinaus zu sichern. Kurz vor seinem Ableben legte er den Grundstein zum Gottlieb-Duttweiler-Institut in Rüschlikon, einem Zentrum für wirtschafts- und sozialpolitische Fragen. Duttweiler war eine faszinierende Persönlichkeit und glaubte an den Begriff des «sozialen Kapitals»: sein Lebenswerk widerspiegelt die verantwortungsbewussten Ideen vom Dienst an der Gemeinschaft und von der Solidarität des Mächtigen mit dem Schwächeren. Von den Gegnern als Komödiant kritisiert, fühlte er sich im Alter verkannt und verglich sich mit Henri Dunant, dem Begründer des Roten Kreuzes. Seit Duttweilers Tod wird auch die idealistische Komponente seines Charakters gewürdigt.

Quellen und Literatur

  • A.A. Häsler, Das Abenteuer Migros, 1985
  • S. Widmer, Gottlieb Duttweiler, 1985
  • C. Riess, Gottlieb Duttweiler, 41988
  • Grosse Schweizer und Schweizerinnen, hg. von E. Jaeckle, E. Stäuble, 1990, 618-623
  • K. Lüönd, Gottlieb Duttweiler (1888-1962), 2000
Weblinks
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Kurzinformationen
Lebensdaten ∗︎ 15.8.1888 ✝︎ 8.6.1962

Zitiervorschlag

Sigmund Widmer: "Duttweiler, Gottlieb", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.04.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006274/2006-04-07/, konsultiert am 29.03.2024.