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Jean-MarieMusy

Jean-Marie Musy im Jahr seiner Demission als Bundesrat. Ölporträt von Paul Hogg, 1934 (Musée gruérien, Bulle).
Jean-Marie Musy im Jahr seiner Demission als Bundesrat. Ölporträt von Paul Hogg, 1934 (Musée gruérien, Bulle).

10.4.1876 Albeuve (heute Gemeinde Haut-Intyamon), 19.4.1952 Freiburg, katholisch, von Grandvillard und Albeuve, 1920 Ehrenbürger von Freiburg. Sohn des Jules, Landwirts und Hoteliers, und der Louise geborene Thédy. Enkel des Pierre Musy, Staatsrats. 1906 Juliette de Meyer, Tochter des Jules de Meyer. Rechtsstudium in Freiburg, München, Leipzig, Berlin und Wien, 1904 Dr. iur. in Freiburg, 1906 Anwaltspatent. 1906-1911 Anwalt in Bulle. 1911-1912 Direktor des Crédit gruyérien. Als konservativer Freiburger Grossrat (1911-1919) und als Staatsrat (1912-1919, Finanzdirektion) setzte sich Jean-Marie Musy für die Sanierung der Kantonsfinanzen und die weitere Vergabe von Krediten an die Staatsbank ein. Im Nationalrat (1914-1919) trat er als glühender Föderalist, Finanzspezialist und überzeugter Antisozialist hervor.

Seine Wahl in den Bundesrat 1919 war ein Meilenstein im politischen Aufstieg der Katholisch-Konservativen auf bundesstaatlicher Ebene. Als Vorsteher des Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartements war Musy 1925 und 1930 Bundespräsident. Wichtige Anliegen waren ihm die Sanierung der Bundesfinanzen und die Erhaltung der Stabilität des Frankens. Während der Krisenjahre betrieb er eine Deflationspolitik, ohne jedoch die angestrebten Verbesserungen zu erreichen. Er trat für ein liberales Staatsverständnis ein und lehnte die Wiederaufnahme von Beziehungen mit der UdSSR ab. Zwischen 1925 und 1930 verbuchte er seine grössten politischen Erfolge, darunter die Einführung des Beamtenstatus 1927, der ein Streikverbot für Bundesbeamte mit sich brachte. Nachdem das Volk die Lex Häberlin zum Schutz der öffentlichen Ordnung verworfen hatte, stellte Musy dem Bundesrat im März 1934 ein Ultimatum; seine Kollegen verweigerten ihm aber die Zustimmung zu seinem Programm, das unter anderem die Ausschaltung von die Staatssicherheit gefährdenden Ausländern, die Senkung der Staatsausgaben sowie die Förderung berufsständischer Organisationen bzw. die Bekämpfung der sich am Konzept des Klassenkampfs orientierenden Parteien und Gewerkschaften vorgesehen hätte. Musy trat daraufhin zurück.

Ende der 1920er Jahre liess sich Musy vom Korporativismus und teilweise auch vom italienischen Faschismus verführen. Er erachtete die parlamentarische Demokratie als ungeeignet und forderte eine Erneuerung der Institutionen sowie eine autoritäre Demokratie. Doch gelang es ihm nicht, im September 1935 die Revision der Bundesverfassung durchzubringen. Nachdem Musy im selben Jahr erneut in den Nationalrat gewählt worden war, beteiligte er sich an der Schaffung des Redressement National, der für Wirtschaftsliberalismus und Sozialkonservativismus lobbyierte. Durch die Volksfronten in Frankreich und Spanien beunruhigt, trat Musy im Rahmen seiner 1936 entstandenen Schweizerischen Aktion gegen den Kommunismus mit hochrangigen Nazis wie Heinrich Himmler in Verbindung. 1939 wurde er als Nationalrat abgewählt. Nach dem Zusammenbruch Frankreichs 1940 intensivierte Musy seine Kontakte mit den Deutschen und pflegte Beziehungen zu den Mitgliedern der nazifreundlichen Nationalen Bewegung der Schweiz. Er versuchte, eine Erneuerungsbewegung ins Leben zu rufen, und leitete das Wochenblatt «La Jeune Suisse». Ende 1944 trat eine jüdische Organisation an ihn heran, worauf er mit Himmler und SS-General Walter Schellenberg über die Freilassung von Deportierten verhandelte. Im Februar 1945 gelangte ein Konvoi mit 1200 Juden in die Schweiz. Nach dem Krieg verschwand Musy von der politischen Bühne.

Quellen und Literatur

  • Altermatt, Bundesräte, 355-360
  • C. Kaiser, Bundesrat Jean-Marie Musy 1919-1934, 1999
  • D. Sebastiani, Jean-Marie Musy (1876-1952), 2004
Weblinks
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Zitiervorschlag

Daniel Sebastiani: "Musy, Jean-Marie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.06.2009, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003938/2009-06-23/, konsultiert am 29.03.2024.