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FritzPlatten

Der in die Sowjetunion ausgewanderte Schweizer Kommunist Fritz Platten als Dozent des Moskauer Instituts für Fremdsprachen. Fotografie von Kurt Spiess, um 1935 (Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich, F Fb-0011-12).
Der in die Sowjetunion ausgewanderte Schweizer Kommunist Fritz Platten als Dozent des Moskauer Instituts für Fremdsprachen. Fotografie von Kurt Spiess, um 1935 (Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich, F Fb-0011-12). […]

8.7.1883 Tablat (heute Gemeinde St. Gallen), 22.4.1942 Lipovo (bei Archangelsk, Sowjetunion), christkatholisch, dann konfessionslos, von Tablat. Sohn des Peter, Schreiners, Wirts, Deutscher, ab 1890 von Tablat, und der Maria geborene Strässle. 1) 1912 Olga Korslinsky, aus Moskau, 2) 1920 Lisa Rosowsky, aus Wilna, 3) 1924 Berta Zimmermann, Tochter des Johann Georg, Angestellter des Gartenbauamts Zürich. Ab 1892 in Zürich, Sekundarschule, 1898-1902 Schlosserlehre bei Escher-Wyss, wegen eines Unfalls abgebrochen, danach verschiedene Anstellungen. 1906 Teilnahme an der ersten Russischen Revolution in Riga, mehrmonatige Haft, 1908 Flucht in die Schweiz. 1909-1914 Sekretär der Sozialdemokratischen Landesorganisation der internationalen Arbeitervereine in der Schweiz in Zürich. 1912 Mitglied der Streikleitung beim Zürcher Generalstreik. 1912-1919 Mitglied der Geschäftsleitung, 1915-1919 Sekretär der SPS. 1916-1919, 1922-1923 Grosser Stadtrat in Zürich; 1917-1919, 1920-1922 Nationalrat. Fritz Platten, der 1915 bzw. 1916 an den Konferenzen von Zimmerwald und Kiental teilgenommen hatte, pflegte von 1916 an Kontakte mit Lenin. Er organisierte im April 1917 die Rückreise Lenins bis zur russischen Grenze. 1917-1924 reiste Platten mindestens siebenmal nach Russland. Im Januar 1918 rettete er in Petrograd (heute St. Petersburg) Lenin bei einem Attentat das Leben. Im gleichen Jahr spielte er eine führende Rolle beim Landesstreik in Zürich und wurde deswegen in Abwesenheit verurteilt. 1919 fungierte er als Präsidiumsmitglied am Gründungskongress der Kommunistischen Internationale in Moskau. 1920 verbüsste er in der Schweiz seine Haftstrafe. 1921 zählte er zu den Mitgründern der KPS. 1923 verliess er die Schweiz wieder, um in der Sowjetunion landwirtschaftliche Genossenschaften ins Leben zu rufen; die Projekte scheiterten oder wurden kollektiviert. In Moskau, wo er ab 1926 lebte, war Platten 1931-1938 als Lehrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Internationalen Agrarinstitut tätig; 1931 reiste er zum letzten Mal in die Schweiz. 1937 wurde seine dritte Frau Opfer der stalinistischen Säuberungen. Platten selbst wurde 1938 verhaftet, 1939 verurteilt und deportiert und 1942 in einem Arbeitslager erschossen. Nach seiner Rehabilitation 1956 wurde er in der Sowjetunion verschiedentlich geehrt.

Platten verkörperte einen neuen Führungstyp auf dem linken Flügel der sozialdemokratischen Partei: Marxistisch geschult, vertrat er internationalistische und antimilitaristische Positionen, stellte die Einheit der Partei jedoch nicht in Frage. Erst nach dem Landesstreik wandte er sich linksradikalen Positionen zu. Historisch bedeutsam waren Plattens praktische Verdienste um Lenin und die Russische Revolution.

Quellen und Literatur

  • Die Reise Lenins durch Deutschland im plombierten Wagen, 1924
  • Gruner, Bundesversammlung 1, 95 f.
  • F.N. Platten, «Mein Vater Fritz Platten», in Turicum, Sept./Nov. 1972, 17-22
  • W. Gautschi, Lenin als Emigrant in der Schweiz, 1973
  • P. Stettler, Die Kommunist. Partei der Schweiz, 1921-1931, 1980
  • Vorwärts, 7.7. und 14.7.1983 (mit Bibl.); 17.8.1989; 19.5.1990
  • B. Schneider, Schweizer Auswanderer in der Sowjetunion, 1985
  • P. Huber, Stalins Schatten in die Schweiz, 1994
  • F.N. Platten, «Glasnost für Fritz Platten (1883-1942)», in Horch und Guck, 1994, Nr. 1, 35-42
Weblinks
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Kurzinformationen
Lebensdaten ∗︎ 8.7.1883 ✝︎ 22.4.1942

Zitiervorschlag

Markus Bürgi: "Platten, Fritz", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.11.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003676/2011-11-09/, konsultiert am 29.03.2024.