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Lutry

Politische Gemeinde des Kantons Waadt, Bezirk Lavaux-Oron, auf einer mehrstufigen Geländeterrasse zwischen Genfersee und Jorat gelegen, bestehend aus dem Städtchen Lutry sowie den Weilern Curtinaux, Savuit, Le Châtelard, Corsy, La Conversion, Echerins, Bossières, Le Daley, Montagny, Le Petit Bochat, Le Miroir und La Croix. Bis 1823 umfasste sie auch Savigny. 908 in Lustraco villam, 1124 monasterium Sancti Martini cum villa quae dicitur Lustriacus, 1147 Lustriey. 1416 200 Haushalte; 1550 191 (bzw. 902 Einwohner); 1764 409 (bzw. 1780 Einwohner, davon 507 in Savigny); 1798 2433 Einwohner (davon 785 in Savigny); 1850 2011; 1900 2243; 1950 2916; 1980 5884; 2000 8270.

Urgeschichte und Antike

Schon 1835 und wiederum 1894 wurden in Le Châtelard neolithische Grabstätten mit insgesamt rund dreissig Steinkistengräbern des sogenannten Chamblandes-Typs entdeckt. Sie enthielten drei Axtklingen aus behauenem Silex sowie Teile einer Muschelkette. 1895 stiess man in Montagny auf einen neuen Fundort mit Gräbern der gleichen Art wie in Le Châtelard. Sie sollen bedeutende Beigaben wie aus Hirschgeweih gefertigte Schäfte für Beile, eine geschliffene Steinaxt sowie steinerne Spinnwirtel enthalten haben. Diese Gegenstände, die in Ufersiedlungen des Neolithikums häufig anzutreffen sind, kommen im damaligen Inventarverzeichnis der Gräber jedoch nicht vor. 1927 befanden Archäologen deshalb, diese Funde seien fälschlicherweise den Grabstätten zugeordnet worden, und schrieben sie ohne weitere Belege einer vermuteten Ufersiedlung unterhalb von Montagny zu.

Im August 1984 kam beim Bau des unterirdischen Parkhauses La Possession ein Alignement von 24 Menhiren, davon 18 noch aufrecht stehend, zu Tage. 13 grosse Menhire (2-4 m hoch) waren in einer Linie angeordnet, die elf anschliessenden kleineren Steine (0,3-0,8 m hoch) beschrieben eine Kurve Richtung Süden. Die Menhire werden in der Forschung traditionell dem Beginn des mittleren Neolithikums zugewiesen, doch legen Keramikreste eine Benutzung des Alignements bis gegen Ende des Neolithikums oder in die Frühbronzezeit nahe. Menhir Nr. 14 ist eine figürliche Stele, in die geometrische Verzierungen (x-förmig gekreuzte Linien, symmetrische Kreise, Zickzacklinie) eingeritzt sind. Die Darstellung einer länglichen Form findet sich auch auf Menhiren in Südfrankreich. Seine bzw. ihre Bedeutung ist unbekannt.

An verschiedenen Orten der Gemeinde, so unter anderen in Curtinaux, Le Châtelard, Savuit und Gantennaz, belegen Funde die Besiedlung in römischer Zeit. Es handelt sich dabei um Ziegel, Mauern, Teile von Bauten und Ornamenten sowie Mauerreste eines Aquädukts.

Gemeinde und Priorat

Ausschnitt aus Thomas Schöpfs Karte des Standes Bern. Kolorierter Kupferstich, 1578 (Zentralbibliothek Zürich, Abteilung Karten und Panoramen).
Ausschnitt aus Thomas Schöpfs Karte des Standes Bern. Kolorierter Kupferstich, 1578 (Zentralbibliothek Zürich, Abteilung Karten und Panoramen). […]

Als ehemaliges Königsgut der Rudolfinger (Festungsturm aus dem 11. Jh. in Crêt-Bernard), das nach dem Tod Rudolfs III. zum Reichsgut wurde, kam Lutry 1079 durch eine Schenkung von Kaiser Heinrich IV. an den Bischof von Lausanne und verblieb bis 1536 in dessen weltlichem Herrschaftsgebiet. Die Abtei Saint-Maurice besass in Lutry etliche, 1263 erstmals erwähnte Güter, die sie 1017 vom König von Burgund erhalten hatte. Zwischen 1025 und 1124 wurde aufgrund der Schenkung eines gewissen Anselme auf dem durch das Delta der Lutrive gebildeten Schwemmkegel ein Benediktinerpriorat gegründet, das der Abtei Savigny-en-Lyonnais (Rhône-Alpes) unterstand. Das Priorat, das mit zahlreichen Schenkungen und Kirchensätzen in den Diözesen Lausanne, Sitten und Genf bedacht wurde und um die fünfzehn Mönche zählte, nahm einen raschen Aufschwung. Es übte bis 1548 seine Herrschaft auch über Villette und Paudex aus. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts gab es seine Leibeigenen frei. Das Städtchen Lutry, dem der Bischof gewisse Freiheiten gewährt hatte, entwickelte sich ab dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts um das Priorat herum. 1368 dienten die Soldaten von Lutry unter den beiden Bannern des Priorats und des Bistums. Nur die Leute von Corsy unterstanden direkt der Herrschaft Corsier, die erst 1798 verschwand. Während des ganzen Mittelalters belasteten Konflikte die Beziehungen zwischen Mutterabtei, Priorat, Bischof und Städtchen.

Städtischen Charakter erhielt Lutry zu Beginn des 13. Jahrhunderts durch eine von Bischof Berthold erstellte Ringmauer (1212-1219) und einen von Wilhelm von Ecublens errichteten Viereckturm, die sogenannte Tour de l'Evêque (1221-1229). Die Weiler Curtinaux, Savuit, Le Châtelard und Corsy sowie die Quartiere Friporte, Voisinand und Bourg Neuf entstanden ausserhalb der Mauern, wobei bald eine zweite Ringmauer Letztere wieder umfasste. 1291 wird das Spital des Priorats, 1348 jenes der Stadt erwähnt. Mit dem Bau eines inneren Hafens wurden 1408 Markthallen erstellt. Auf Betreiben der Mönche legte man um das Städtchen herum einen Weinberg an. Eine Bruderschaft des Heiligen Geistes (1307) bildete den Beginn der Gemeindeorganisation. Vom 13. Jahrhundert an trieb Lutry die Rodungen an den Monts-de-Lutry voran, die im 17. Jahrhundert abgeschlossen wurden, und liess Felder, Weiden und Wälder durch Bauern bewirtschaften, die nach und nach das Bürgerrecht erhielten.

Die 1228 erstmals erwähnte Pfarrei Lutry umfasste auch Savigny (1598 abgetrennt), Belmont-sur-Lausanne (1766-1846) und Villette (1846-1863). Die dem heiligen Martin geweihte Prioratskirche diente auch als Pfarrkirche (Kreuzaltar dem heiligen Klemenz geweiht). Nach dem teilweisen Neubau (1250-1260) über einem Gebäude aus dem 11. Jahrhundert wurde die Kirche 1344 nach einem Brand umgestaltet, zwischen 1569 und 1591 wieder instand gestellt und erweitert sowie 1889-1907 restauriert.

Um Lutry zu verwalten, setzte das Priorat einen Statthalter, die Bischöfe einen Meier ein, die beide ihren Sitz im sogenannten "Schloss" hatten. Das Meieramt wurde in der adligen Familie Mayor de Lutry erblich, gab ihr auch den Namen und überlebte die Eroberung der Waadt durch die Berner. Der Letzte des Geschlechts, Claude Mayor de Lutry (1598), wurde durch einen Kastlan ersetzt. Dieses Amt übten bis 1798 die Crousaz von Corsier aus. 1536 widersetzte sich Lutry erfolglos der bernischen Eroberung und der Reformation. Das Priorat wurde 1537 aufgehoben und die bischöflichen Güter säkularisiert. 1536-1798 war Lutry Teil der Vogtei Lausanne und wurde durch die Stadtbürger mittels eines achtzehnköpfigen Zweitrats und eines Zwölferrats mit einem Bannerherrn an der Spitze regiert. Die Gerichtsbarkeit lag in den Händen von vier Gerichten: den Konsistorien von Lutry und Savigny, dem Gerichtshof des Kastlans und jenem des Herrn von Corsier.

1798 schloss sich Lutry im letzten Moment der Waadtländer Revolution an. Als Teil des Bezirks Lavaux (1798-2006) verwaltete während der Helvetik eine elfköpfige Munizipalität, die von einem Syndic angeführt wurde, die Gemeinde. 1803-1825 waren es 15 Munizipalräte und Beamte mit dem Gemeinderat (ab 1815) an der Spitze. Ab 1826 wählten die neuen Gemeinden Lutry und Savigny ihre eigenen Behörden.

Die Rebberge, die im Ancien Régime teils Freiburger, Berner, Lausanner und Yverdoner Patriziern, teils den Bewohnern von Lutry gehörten, bildeten auch im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts die wichtigste Einnahmequelle (seit 1906 Weinbaugenossenschaft). Mit dem Bau eines Hafens (1836-1838), von Quaianlagen (ab 1863) und einer Anlegestelle (1816, 1912) öffnete sich die Stadt dem See. 1822 wandelte man die Markthallen in eine Schule um, in deren Anbau 1885 das Zollgebäude untergebracht wurde. Der Bahnhof von Lutry an der Simplonstrecke wurde 1861 eingeweiht, die Station La Conversion an der Linie nach Bern 1862. Um 1920 folgte die Haltestelle Bossières. Eine Strassenbahnlinie verband Lutry ab 1896 mit Lausanne. Die Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert war einerseits durch den Zuzug vieler nichtbürgerlicher Familien, andererseits durch die Reblauskatastrophe geprägt. Letztere löste eine beispiellose Wirtschaftskrise aus. In den 1950er Jahren setzte der Rückgang des Weinbaus und parallel dazu die Verstädterung ein. Lutry lehnte die Ansiedlung von Industriebetrieben ab, förderte hingegen kleinere und mittlere Unternehmen. 2000 zählte man in Lutry rund deren 400. Ab den 1960er Jahren wuchs Lutry mit der Lausanner Agglomeration zusammen und wandelte sich zur beliebten Wohngemeinde vermögender Schichten.

Quellen und Literatur

  • C. Masserey, «Un monument mégalithique sur les rives du Léman», in ArS 8, 1985, 2-7
  • HS III/1, 803-831
  • Lutry, arts et monuments, 2 Bde., hg. von M. Grandjean, 1990-91
  • J.-L. Voruz, «Hommes et dieux du Néolithique», in JbSGUF 75, 1992, 37-64
  • L.-D. Perret, Lutry sous le régime bernois, 2000
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Patrick Moinat; Louis-Daniel Perret: "Lutry", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.02.2010, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002420/2010-02-16/, konsultiert am 28.03.2024.