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Zuoz

Politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Oberengadin, Bezirk Maloja. Ehemaliger Hauptort der Gerichtsgemeinde und des Hochgerichts Oberengadin. Alter Dorfkern (Haufendorf) am Abhang des Munt Albanas, umgeben von neuen Aussenquartieren. Um 840 Zuzes. 1781 378 Einwohner; 1850 423; 1900 425; 1930 969; 1941 693; 1950 779; 1960 1001; 2000 1353.

Spätbronzezeitlicher und eisenzeitlicher Siedlungsplatz der Melauner Kultur auf dem Hügel Chastlatsch (1848 m). Vermutlich spätrömischer und frühmittelalterlicher Etappenort eines inneralpinen Verkehrssystems. 1137/1139 Erwerb des Grundbesitzes der süddeutschen Grafen von Gamertingen mit einem Grosshof in Zuoz und der Eigenkirche St. Luzi (Grosspfarrei La Plaiv) durch den Bischof von Chur, der bereits den Hof Dorta (heute Dorfteil) und die Landeshoheit im Oberengadin besass. Bischof Volkart ernannte 1244 Andreas Planta von Zuoz zum Kanzler des Oberengadins und begründete damit die Vormachtstellung der Familie Planta und der Nachbarschaft Zuoz, die bis 1798 andauerte. 1367 erfolgte der Beitritt zum Gotteshausbund durch Ammann Thomas Planta (Oberengadiner Gemeindesiegel).

Die 1137/1139 erstmals erwähnte Pfarrkirche San Luzi wurde um 1200 neu gebaut (heutiges Schiff und Unterteil des Turms). Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde sie spätgotisch umgebaut (1507), ebenso die 1438 erwähnte Zweitkirche Santa Chatrigna (1509). Die dauernden Auseinandersetzungen zwischen Zuoz und Samedan führten 1438 zur Zweiteilung der Gerichtsgemeinde Oberengadin (nicht aber des Hochgerichts) in die Gerichte Sur Funtauna Merla und Suot Funtauna Merla; Letzteres entsprach territorial der Pfarrei Zuoz (La Plaiv). Die erste Verfassung der Gerichtsgemeinde datiert von 1462. Der Verkauf der letzten bischöflichen Einkünfte an die Gemeinde erfolgte 1492, 1526 verlor der Bischof gemäss den Ilanzer Artikeln seine Hoheitsrechte. Im Schwabenkrieg zündeten die Einwohner ihren stadtähnlichen Flecken an, um den Feind zum Rückzug zu zwingen. Im Zuge der ab Mitte des 15. Jahrhunderts einsetzenden Kommunalisierung lösten sich allmählich S-chanf (1518), La Punt-Chamues-ch (1528) und Madulain (1534). 1554 trat Zuoz zur Reformation über. Handel, Transport und die Eroberung des Veltlins 1512 führten zu einer wirtschaftlichen und geistigen Blüte, die sich in der Gründung einer Lateinschule, den Anfängen einer rätoromanischen Schriftsprache, im religiösen und profanen Theater und im Chorgesang manifestierte. Ausserdem besuchten Zuozer Studenten nun auswärtige höhere Schulen. Bauliches Abbild dieser Entwicklung sind die imposanten Herren- und Bürgerhäuser, die gleichzeitig Bauernhöfe blieben. Neben den altadeligen Familien von Planta, von Juvalta und zeitweise Salis bildete sich im 15.-16. Jahrhundert eine neue, zum Teil vom Kaiser geadelte und durch Handel und politische Ämter reich gewordene Führungsschicht heraus (Travers, Schucan, Raschèr, Jecklin, Wietzel, Danz, Geer). Nach den Bündner Wirren 1618-1639, unter denen Zuoz wenig litt, setzte eine wirtschaftlich bedingte Auswanderung ein. Infolge des Verlusts des Veltlins, der Aufhebung der politischen Vorrechte 1798 und der weiteren Entvölkerung, die durch Einwanderer aus Davos, Mittelbünden und den reformierten Dörfern der Surselva nicht ausgeglichen werden konnte, entwickelte sich Zuoz zum einfachen Bauerndorf zurück.

Tourismusplakat von Ernst Emil Schlatter, 1921 (Fundaziun Capauliana, Chur).
Tourismusplakat von Ernst Emil Schlatter, 1921 (Fundaziun Capauliana, Chur). […]

Schon vor dem Ausbau der Talstrasse, der 1836 begann, waren die Wegverhältnisse im Oberengadin gut, aber erst die Fahrstrassen über die Pässe Albula und Flüela förderten den Aufschwung. 1903 erfolgte der Anschluss an die Rhätische Bahn in Bever, 1913 die Eröffnung der Strecke Bever-Zuoz-Scuol. Seit Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Zuoz mit dem Bau von Hotels und der Umgestaltung des ehemaligen Ratswirtshauses zu einem Kleinhotel zum Luftkurort. Mit der Gründung des Lyceum Alpinum 1904, der Eröffnung der Hygienischen Schule Bellaria 1909 und der gemeinsamen Sekundarschule für die Plaiv wurde Zuoz zum regionalen Schulzentrum. Mit dem Bau von Hotels, Ferienhäusern und Skilifts gewann der Fremdenverkehr seit den 1950er Jahren zunehmend an Bedeutung und ist inzwischen der wichtigste Erwerbszweig. Die bis anhin dominierende Landwirtschaft erfuhr im Zuge ihrer Mechanisierung eine starke Reduktion der Betriebe und ihre Aussiedlung an den Dorfrand. Leere Stallscheunen wurden unter Wahrung des historischen Dorfbildes zu Wohnungen umgebaut. Allen seit mehr als 50 Jahren ansässigen Familien wurde 1980 das Gemeindebürgerrecht verliehen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts war Zuoz das wirtschaftlich-kulturelle Zentrum der Plaiv.

Quellen und Literatur

  • C. Wieser, Zuoz, 1991
Von der Redaktion ergänzt
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Zitiervorschlag

Constant Wieser: "Zuoz", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.01.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001547/2015-01-25/, konsultiert am 29.03.2024.