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Kerns

Politische Gemeinde des Kantons Obwalden, auf einer Terrasse am Südwesthang von Stanserhorn und Arvigrat im Sarneraa- und Melchtal. Streusiedlung mit Schwerpunkt um die Pfarrkirche mit den Bezirken Dorf, Siebeneich, Wisserlen, Halten, Dietried und den Weilern St. Niklausen und Melchtal. Grösste Gemeinde des Kantons. 1036 Chernz (Kopie des 14. Jh.), nach 1101 Chernes. 1744 1820 Einwohner; 1758 1695; 1799 1999; 1811 2236; 1850 2509; 1900 2392; 1950 3406; 2000 5101.

Ortsnamen keltischen, gallorömischen, römischen und alemannischen Ursprungs. Kerns erscheint erstmals 1036 in einem Verzeichnis lenzburgischen Grundbesitzes in der Zentralschweiz. Die 1173 erwähnte Pfarrkirche St. Gallus (ecclesia de chernen) ist ein Gründungsbau aus dem 11./12. Jahrhundert (Stiftung der Grafen von Lenzburg). Nachfolgebauten stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert, ein Neubau erfolgte 1761-1768 von Jakob Singer. Nach einem Brand (1813) wurden Chor und Turm 1814-1816 durch Josef Singer neu errichtet. Rechte an der Kirche und ihren Gütern hatten die Benediktinerklöster Beromünster, Muri und St. Blasien. 1367 verkaufte Beromünster seinen Hof in Kerns mit dem Patronatsrecht der Kirche dem Kloster Engelberg. Kirchensatz und Kollatur gingen 1464 an die Kirchgenossengemeinde über, die seit dem Spätmittelalter die grundlegende politisch-wirtschaftliche Organisationsform von Kerns darstellte. Sie vereinigte in sich Aufgaben einer Nutzungsgenossenschaft (Korporation), einer Bürgergemeinde (seit der Kantonsverfassung von 1867 identische Bezeichnung für Kirchgenossengemeinde), einer Kirchgemeinde (erst 1970 institutionalisiert) und der 1850 eingeführten Einwohnergemeinde. Sie wird seit 1850 gebildet aus allen an der Landsgemeinde stimmfähigen, am Gemeindegut nutzungsberechtigten (Bedingung 1902 aufgehoben) und in der Gemeinde niedergelassenen Personen. Spätestens seit Beginn des 15. Jahrhunderts lösten sich von der Kirchgenossengemeinde selbstständige Alpgenossenschaften ab. Daraus entwickelte sich die heutige komplexe Gemeindestruktur von Kerns mit den von denselben Ratsherren verwalteten selbstständigen Institutionen Korporation, Alpgenossenschaften, Bürgergemeinde einerseits und der Einwohner- und Kirchgemeinde (seit 1970) andererseits. Die reformierten Einwohner von Kerns gehören zur 1907 gegründeten evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Obwalden.

Bis ins Spätmittelalter war Kerns bestimmt von Ackerbau und Weidewirtschaft. Bis in die frühe Neuzeit (17. Jh.) intensivierte und kommerzialisierte sich die Weidewirtschaft mit Vieh- und Pferdeexport bis in die Lombardei (Como, Varese, Mailand). Daneben entwickelten sich Kleingewerbe, Heim- und Dorfindustrie: Abbau von Eisen (Bergwerk Melchtal 15. bis 17. Jh.), von Kalk im Dietried (spätestens seit 1518) und von Gips in Wisserlen (spätestens seit 1741). 1828 erfolgte die Gründung einer Flechtschule durch die Strohfabrik in Wohlen (AG); 1864-1877 betrieb man das in Heimarbeit verrichtete sogenannte Hüteln (aus Hafer- und Roggenstroh). Seit 1895 wird die Wasserkraft zur Erzeugung elektrischer Energie genutzt, und 1905 wurde das erste Kraftwerk in Wisserlen zur Stromversorgung von sechs der sieben Gemeinden Obwaldens erstellt. Die Fabrikindustrie hielt 1907 mit der Gründung einer Möbelfabrik im Dietried und 1936 mit der Errichtung einer Teigwarenfabrik Einzug. Dank der kantonalen Wirtschaftsförderung siedelten sich seit den 1950er Jahren in der Gewerbe- und Industriezone Sand/Wisserlen Unternehmen vor allem der Metall- und Elektronikbranche (Zodiac 1970) an. Aus der Pionierzeit der Hotellerie stammt das 1907-1908 vom St. Moritzer Hotelbauarchitekten Karl Koller erbaute Grand Hotel Burgfluh, 1937-1972 von Dominikanerinnen von Bethanien als Kurhaus betrieben, seither privat genutzt. Die Dominikanerinnen von Bethanien führen in St. Niklausen ein Haus der Stille und Begegnung. Touristische Sehenswürdigkeit ist die über die fast 100 m tiefe Melchaaschlucht führende sogenannte Hohe Brücke (1943 erbaut) im Dietried. 2000 beschäftigte der 1. Sektor noch etwas mehr als einen Zehntel, der 2. Sektor einen guten Drittel und der 3. Sektor knapp die Hälfte der Erwerbstätigen.

Quellen und Literatur

  • A. Küchler, Chronik von Kerns, 1886, (Nachdr. 1937)
  • R. Amschwand, Kerns, Gemälde einer Gem., 1976
Von der Redaktion ergänzt
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GND

Zitiervorschlag

Willi Studach: "Kerns", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.10.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000743/2008-10-14/, konsultiert am 17.04.2024.