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Twann

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Nidau, Verwaltungskreis Biel. Die Gemeinde Twann umfasste die am nördlichen Bielerseeufer gelegenen Winzerdörfer Twann, Kleintwann (teilweise bei Ligerz) und Wingreis, die Siedlungen Gaicht (676 m) und Twannberg (868 m) auf Terrassen am Jura sowie die St. Petersinsel. Sie fusionierte 2010 mit Tüscherz-Alfermée zur neuen Gemeinde Twann-Tüscherz. 1185 Duana, 1225 Tuanna, französisch Douanne. 1764 464 Einwohner; 1850 865; 1880 976; 1900 854; 1941 735; 1950 886; 1980 768; 2000 865 (davon 93% deutschsprachig).

Die neolithischen Ufersiedlungen

Beim Bahnhof Twann stiess man beim Nationalstrassenbau auf jungsteinzeitliche Siedlungsreste, die ungewöhnlich gut erhalten waren, da sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch Aufschüttungen überdeckt worden waren. Die grosse Fundmenge, welche die Grabungen (1974-1976) des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern erbracht hatten, belegt eine kontinuierliche Entwicklung der archäologischen Fundgruppen Cortaillod und Horgen. Im streifenförmigen Grabungsausschnitt von 15 x 150 m – dieser entspricht etwa 10% des angenommenen Siedlungsareals – fanden sich Spuren einer Belegung von 3838-2976 v.Chr. Es konnten etwa 20 Dörfer dendrochronologisch erschlossen werden. Die nur ausschnittweise erfassten Dörfer haben ihren Standplatz stetig verschoben, wurden immer wieder von Grund auf neu erbaut und waren mit zum Teil grossen Unterbrechungen (von 8 bis 214 Jahren) jeweils bloss kurz bewohnt (längste Siedlungsperiode 24 Jahre). Während zeitweiliger Hochwasserstände kamen die Siedlungsaktivitäten gänzlich zum Erliegen; dies erlaubt den Schluss, dass man ebenerdig und nicht auf abgehobenen Plattformen bzw. in Pfahlbauten wohnte. Die meist kleinen Häuser (ca. 7 x 4 m) bedurften spätestens vier Jahre nach ihrem Bau einer Ausbesserung und wurden kaum älter als 16 Jahre. Sie standen in dichten Reihen einheitlich entweder längs oder quer zum See ausgerichtet. Ihr Boden war mit einer torfähnlichen Isolationsschicht gegen den feuchten Untergrund abgedichtet; in der Raummitte befand sich eine Herdstelle aus Lehm. Mit Hacken, Stöcken und einfachen Pflügen angebautes Getreide war wichtigstes Grundnahrungsmittel, das als Brei oder als Brot verzehrt wurde. Davon zeugen angebrannte Kochtöpfe und ein Brot aus der Mitte des 36. Jahrhunderts v.Chr. Der Bestand an Haustieren (v.a. Rinder, Schafe, Ziegen) hielt sich im Lauf der Zeit konstant, während unterschiedlich intensiv gejagt wurde (primär Rothirsche). Fischfang ist ebenfalls belegt. Arbeitsgeräte und Textilreste weisen auf Kleidung aus Flachs und Rindenbast hin. Ein ritzverziertes Keramikgefäss zeigt Verbindungen zum Wallis, ein Bergkristall solche zu den Alpen. Bei der Herstellung von Feuersteingeräten wurde zu 50% der einheimischen Jurajaspis verwendet; Rohstoffe und fertige Klingen aus Silex wurden zum Teil auch aus weit entfernten Gegenden importiert, aus Süddeutschland und der Champagne sowie vermutlich aus dem südlichen Rhonetal. Eine Messerklinge aus Kupfer ist einziger Vorbote der kommenden Metallzeiten. Zu den vielen archäologischen Funden gehören unter anderem auch ein römisches Brandgrab im Rogget, frühmittelalterliche Funde in Gaicht und ein Gräberfeld im Gauchete.

Mittelalter und Neuzeit

Ansicht von Twann vom See aus. Johann Grimm zugeschriebenes Ölgemälde, um 1740 (Musée d'art et d'histoire de La Neuveville; Fotografie Charles Ballif).
Ansicht von Twann vom See aus. Johann Grimm zugeschriebenes Ölgemälde, um 1740 (Musée d'art et d'histoire de La Neuveville; Fotografie Charles Ballif).

Die Siedlung Rogget nordöstlich von Wingreis mit der 1235 erwähnten Thomas- oder Roggetkapelle wurde im 14. Jahrhundert wohl als Folge eines Felssturzes aufgegeben. Im Mittelalter war Twann eine Freiherrschaft unter den Herren von Twann, die um 1250 ausstarben; Reste von Burgen sind auf der Schloss- und Burgfluh auszumachen. Durch Erbschaft bzw. als Mitgift ging Twann in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an die Freiherren de Diesse, dann an die Familien Vaumarcus und Bolligen; diese verkauften Twann 1422 dem Berner Schultheissen Rudolf Hofmeister, der 1426 ein Twingrecht erliess. Ab 1454 kam Twann an weitere Bernburger, 1487 schliesslich an Bern und zur bernischen Landvogtei Nidau. Die Herrschaft Twann umfasste das Niedergericht, im 14. Jahrhundert ein Mannlehen des Schlosses Nidau, und die halbe Hochgerichtsbarkeit; die andere Hälfte lag bei den Grafen von Nidau, ab 1393 definitiv bei Bern. Ein Meier präsidierte das Niedergericht stellvertretend für den Vogt. Bern bestätigte die Rechte auf Wochenmarkt und Rathaus. Die Twanner Eigenleute des Bischofs von Basel schuldeten diesem bis zur Ablösung durch Bern 1470 Frondienste und Steuern. Als bernische Ausburger wurden sie nach Nidau pflichtig, das Mannschaftsrecht blieb aber zwischen Bern und dem bischöflichen Biel geteilt.

Die 1228 erwähnte Kirche mit Martinspatrozinium gehörte mit der 1497 erwähnten Kapelle im Moos zum Bistum Lausanne. Der ursprüngliche Bau des 9. oder 10. Jahrhunderts wurde im 13. und 15. Jahrhundert sowie durch Abraham Dünz den Älteren 1666-1667 umgestaltet. 1237 schenkte Kuno von Twann den Kirchensatz der Komturei Münchenbuchsee, von der ihn Bern 1528 übernahm. Die nachreformatorische Kirchgemeinde Twann, zu der 1876-1889 auch Ligerz gehörte, umfasste ab 1879 auch Tüscherz-Alfermée. 2010 fusionierten die Kirchgemeinden Twann-Tüscherz und Ligerz zur Kirchgemeinde Pilgerweg Bielersee.

Erwerbszweige waren Rebbau, Fischerei und Viehwirtschaft; Wochenmärkte deckten den Getreidebedarf. Ab dem 17. Jahrhundert wurde auf der Alp Klein-Twannberg in der Gemeinde Courtelary gesömmert. Ausser der Herrschaft hatten neben anderen Herren auch die Klöster Engelberg, Münchenbuchsee und Fraubrunnen Rebbesitz, der 1528 ebenfalls an Bern fiel und an einheimische Bauern verpachtet wurde. Im Dörfchen Wingreis am See liegt das Rebhaus Thormanngut, das sich ab dem 16. Jahrhundert im Besitz bernischer Patrizierfamilien befand (heute Stiftung Rebhaus Wingreis). Wichtigstes Verkehrsmittel war das Schiff. Die erste fahrbare Landverbindung war die 1835-1838 erstellte Bielerseestrasse; die Bahnlinie Biel-Neuenburg folgte 1858-1860. Der Ausbau von Bahn und Autobahn 1969-1978 trennte das dicht gebaute Dorf vollends vom See ab. Die teilweise Neuanlage von Bootshäfen, Schiffsstationen und Strandbad war von Seeauffüllungen begleitet. Im 20. Jahrhundert suchte man mit Verbauungen und neuem Wegnetz im Rebgelände (1931-1935) sowie der Gesamtmelioration Gaicht-Twannberg (1976-1988) die Bedingungen für die Landwirtschaft zu verbessern. Am Twannbach in Kleintwann liefen seit dem Mittelalter Mühlen und andere Wasserwerke. Das Folgehandwerk des Rebbaus nimmt ab (u.a. die Küferei); unter den Gewerbebetrieben sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Bootswerft und Bauunternehmungen, vor allem aber der Weinhandel und die am Tagestourismus orientierte Gastronomie zu nennen. Das 1977-1980 angelegte Feriendorf Twannberg, das auf Initiative sozialer Organisationen gegründet, wurde 2009 verkauft und in ein Hotel umgewandelt. Am Weg zwischen Twann und Gaicht entstand im Chros oberhalb der Rebberge eine moderne Siedlung.

Quellen und Literatur

  • E. Friedli, Bärndütsch als Spiegel bern. Volkstums 5, 1922
  • P. Aeschbacher, Stadt und Landvogtei Nidau von den Anfängen bis ins 16. Jh., 1929
  • E. Saurer, Twann, 1968
  • Die neolith. Ufersiedlungen von Twann, 20 Bde., 1977-81
  • A.R. Furger, F. Hartmann, Vor 5000 Jahren, 1983
  • P. Eggenberger et al., Twann, ref. Pfarrkirche, 1988
  • SPM 2, 300-331
  • K. Zaugg, Bauinventar der Gem. Twann, 2002
  • W.E. Stöckli, Chronologie und Regionalität des jüngeren Neolithikums (4300-2400 v.Chr.) im Schweizer Mittelland, in Süddeutschland und in Ostfrankreich, 2009, 26-37.
Von der Redaktion ergänzt
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Zitiervorschlag

Felix Müller (Bern); Anne-Marie Dubler: "Twann", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.01.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000456/2014-01-07/, konsultiert am 29.03.2024.