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Lauterbrunnen

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Interlaken. Die ausgedehnte Gemeinde hat ihren Ausgangspunkt im Taltrog der Weissen Lütschine am Fuss des Hochgebirges und umfasst als Streusiedlung im Talboden die Tourismusdörfer Lauterbrunnen und Stechelberg sowie auf Terrassen Wengen, Isenfluh (seit 1973 bei Lauterbrunnen), Mürren und Gimmelwald. 1240 in claro fonte, 1304 Luterbrunnen. 1764 828 Einwohner; 1850 1756; 1900 2551; 1910 3204; 1920 2593; 1950 2876; 1980 3077 (seit 1973 mit Isenfluh); 2000 2914.

Im Blumental fand man eine römische Münze. Das Lauterbrunnental gehörte im 13. Jahrhundert teilweise zur Herrschaft Rotenfluh-Unspunnen der Freiherren von Wädenswil, die 1240 das Sefinental dem Augustinerpriorat Interlaken verkauften. Dieses erwarb im 13. und 14. Jahrhundert vom Adel und weiteren Güterbesitzern in Etappen Eigenleute, Talgüter, Alpen und Gerichtsrechte. Im 15. Jahrhundert unterstand das Tal wirtschaftlich, gerichtlich und als Teil der Grosspfarrei Gsteig bei Interlaken auch kirchlich der Klosterherrschaft. Nach 1300 siedelten die Walliser Freiherren vom Turn Eigenleute, vor allem aus dem Lötschental, im hinteren Tal an. 1346 sind die Walserkolonien Lauterbrunnen, Gimmelwald, Mürren und die als ständige Siedlungen abgegangenen Sichel- und Trachsellauenen sowie Ammerten erstmals erwähnt. Im Aufruhr des Oberlands gegen Interlaken 1349 wurden diese Lötscher gesondert bestraft.

Der Staubbachfall im Lauterbrunnental. Öl auf Leinwand von Caspar Wolf, 1774/1777 (Kunst Museum Winterthur / Reinhart am Stadtgarten, Winterthur).
Der Staubbachfall im Lauterbrunnental. Öl auf Leinwand von Caspar Wolf, 1774/1777 (Kunst Museum Winterthur / Reinhart am Stadtgarten, Winterthur). […]

Ohne Erlaubnis des Klosters errichteten die Talleute 1487-1488 eine eigene Kirche in Lauterbrunnen. Kraft eines Schiedsurteils war sie eine Filiale von Gsteig bei Interlaken und erhielt 1506 einen ständigen Priester. Das Tal widersetzte sich 1528 mit dem übrigen Oberland der Reformation, bis es vor den bernischen Truppen kapitulierte und Lauterbrunnen als selbstständige reformierte Kirchgemeinde und eigener Gerichtsbezirk zur bernischen Landvogtei Interlaken kam.

Wohl gegen Ende des 16. Jahrhunderts setzte der von Bern konzessionierte Bergbau am Talende ein. Bis 1715 wurde in obrigkeitlicher Regie oder durch private Pächter Eisenerz abgebaut und ob Zweilütschinen (Gündlischwand) verhüttet. Zusätzlich wurde 1705-1805 in Stollen (zum Teil erhalten) am Hauri- und Steinberg Blei und Zinkerz durch meist bernburgerliche Unternehmer gewonnen und im Talboden bei Sichel- und Trachsellauenen (Überreste von Knappenhaus und Hochofen) verarbeitet. Der Bergbau war eine Sache der Fremden. Einheimische arbeiteten als Holzer und Köhler, deren Haupterwerbszweig die Vieh- und Alpwirtschaft blieb. Die fünf Bäuerten (Gütergemeinden) bildeten die genossenschaftliche Gemeinde der Talleute (1582 erste Taleinung). Armut zwang im 17. und 18. Jahrhundert zu Solddienst, Auswanderung (u.a. nach Carolina, USA) und Heimarbeit (Strumpfweberei, Spitzenklöppeln). Die Alpenbegeisterung des 18. Jahrhunderts brachte Reisende ins Tal, die anfangs im Pfarrhaus abstiegen. Wegen seiner Wasserfälle und des Bergübergangs Wengernalp-Kleine-Scheidegg-Grindelwald schuf sich Lauterbrunnen einen internationalen Namen. Ausländische Alpinisten erschlossen mit einheimischen Bergführern die Hochalpen. Ab 1834 wurde die Talstrasse von Interlaken schrittweise ausgebaut, doch erst die Berner-Oberland-Bahnen (1890 Station Lauterbrunnen) und die Bergbahnen auf die Terrassen von Mürren (1891) und Wengen (1893) brachten mehr Touristen und führten zum Bau neuer Hotels. Touristische Hauptattraktion wurde 1912 die von einheimischen Kraftwerken (1894 Lochbrücke, 1898 Lauterbrunnen-Stechelberg) versorgte Jungfraubahn. Die Winterhotellerie setzte ab 1909 mit dem von den englischen Pionieren Walter und Arnold Lunn propagierten Skisport, mit Curling und Bobfahren ein. Als saisonale Beschäftigung neben der Landwirtschaft wurde der Tourismus zur wichtigsten Verdienstquelle im Tal. Auf den raschen Ausbau der Hotellerie folgten Krisen, so während der Weltkriege und in den 1930er Jahren. Mit dem Aufschwung nach 1945 nahmen Chalets, Appartmenthäuser und Campingplätze im Talboden überhand und die touristische Infrastruktur (Skilifts, Sesselbahnen, 1971 Helikopterstation, Parkhaus in Lauterbrunnen) wurde laufend erweitert. Seit 1967 erschliesst die Schilthornbahn Gimmelwald und Stechelberg. Ertragseinbrüche in der Tourismusbranche und die Abwanderung mangels Arbeitsplätzen und Wohnraums bewirkten ab 1970 einen Bevölkerungsrückgang. Mit dem Hinteren Talgrund verfügt Lauterbrunnen über ein Naturschutzgebiet.

Quellen und Literatur

  • H. Michel, Buch der Talschaft Lauterbrunnen, 1240-1949, 41979
  • Gesch. der Talschaft Lauterbrunnen, 2 Bde., 1988-89
  • H. Buchs, Aus der Schul- und Dorfchronik Stechelberg, 2001
  • S. Steger, Bauinventar der Gem. Lauterbrunnen, 2004
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Lauterbrunnen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.08.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000338/2010-08-18/, konsultiert am 29.03.2024.