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Uster

Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Bezirk Uster. Stadt an der Aa östlich des Greifensees gelegen, mit den vollständig zusammengewachsenen Ortsteilen Ober-, Kirch- und Niederuster sowie den Dörfern Werrikon, Nänikon, Winikon-Gschwader, Freudwil, Wermatswil (seit 1869 mit der Hintergasse, zuvor Gemeinde Pfäffikon ZH), Sulzbach, Nossikon und Riedikon. Winikon-Gschwader und Nossikon sind ins städtische Siedlungsgebiet integriert. 775 Ustra villa. 1467 ca. 600 Einwohner; 1634 972; 1694 1699; 1722 2191; 1799 3128; 1850 5081; 1900 7623, 1950 12'350; 1980 23'702; 2000 28'571.

Im Gegensatz zu den spärlichen Funden aus der mittleren Steinzeit im Gemeindegebiet sind die Zeugnisse von Ufersiedlungen der neolithischen Pfyner Kultur bei Riedikon sehr zahlreich. Mehrere bronzezeitliche Grabhügel blieben unerforscht. Römische Gutshöfe sind in Nänikon, Riedikon und im Oberusterwald nachgewiesen. Eine 1694 an nicht näher bezeichneter Stelle gefundene Merkurstatuette aus Bronze steht heute im Landesmuseum. Der frühmittelalterliche Siedlungskern ist aufgrund von Gräberfunden in Oberuster an den Ufern des Aabachs anzunehmen. Das Kloster St. Gallen verfügte um 741 über Besitz in Riedikon; davon abgesehen bleibt die Gütergeschichte der fränkischen Zeit im Dunkeln. 775 wurden drei St. Galler Urkunden in Uster ausgefertigt.

Die mittelalterliche Hochgerichtsbarkeit lag ohne das Blutgericht bei den Inhabern der Herrschaft Greifensee. Wermatswil und die Hälfte von Freudwil gehörten zu Kyburg, Sulzbach und Riedikon zu Grüningen; diese beiden Herrschaften teilten sich ins Blutgericht, dessen Grenze mitten durch Uster dem Aabach entlang verlief. Ein Gericht von Freien in Nossikon ist im 13. sowie 14. Jahrhundert und insbesondere durch die Offnung von 1431 belegt; seine Sonderstellung ging spätestens im 16. Jahrhundert verloren. Die Burg Uster, deren Turmfundamente nach 1200 datieren, war Mittelpunkt einer bescheidenen Gerichtsherrschaft, als deren Inhaber 1267 die Freiherren von Bonstetten nachweisbar sind. Im Alten Zürichkrieg (1436-1450) vermochten diese für ihren Herrschaftsbereich die Neutralität zu wahren, sodass Uster den Verwüstungen entgangen zu sein scheint, welche die benachbarte Landschaft verheerten. So war es auch möglich, dass die am 28. Mai 1444 in Nänikon hingerichtete Besatzung von Greifensee in Uster ein christliches Begräbnis erhielt. Nachdem die Burg 1492 und ein in der Folge daneben erbautes Holzhaus 1526 abgebrannt waren, wurde Erstere wieder aufgebaut. 1535 verliessen die Bonstetten Uster, 1544 verkaufte der Herrschaftsinhaber Hans Vogler die niedergerichtlichen Rechte an Zürich, das sie der Landvogtei Greifensee zuschlug. Ab 1560 gehörte die Burg Uster als Privatsitz den letzten Generationen der Freiherren von Hohensax und erfuhr danach bis Anfang des 20. Jahrhunderts mehrere Umbauten und Handänderungen. 1852-1853 zum Sitz der Bezirksbehörden umgebaut, wurde sie nach Erstellung eines zentraler gelegenen Bezirksgebäudes 1917-1919 in eine dem spätmittelalterlichen Vorbild nachempfundene bauliche Form zurückgeführt und durch den Fabrikanten Jakob Heusser (1862-1941) für Schulzwecke adaptiert. Seitdem beherbergte die Burg verschiedene Schulen (seit 1995 die private Schloss Schule). Auf dem Land der 1927 errichteten Heusser-Staub-Stiftung am Schlossberg wurde nach 1975 der vollständig aus der Gemeinde verschwundene Weinbau wieder aufgenommen.

Die 1099 erstmals erwähnte, von den Rapperswilern gestiftete Pfarrkirche St. Andreas war als Landkirche eine grosszügige dreischiffige Anlage. Sie wurde 1823 abgebrochen; archäologische Untersuchungen verliefen 1982 ergebnislos. Der an sich wahrscheinliche rechtliche Zusammenhang mit der unmittelbar oberhalb der Kirche gelegenen Burg ist nicht nachzuweisen. Die Kollatur stand vielmehr ursprünglich den Rapperswilern zu und teilte bis 1369 die Geschicke der Herrschaft Greifensee. Danach blieb sie bei den Landenbergern und ging 1438 durch Kauf an das Kloster Rüti über. Sie galt als Bestandteil des sogenannten Laubishofs, dessen Standort sich nicht mehr feststellen lässt. 1473 wurde auf Betreiben der Kirchgenossen und gestützt auf ein älteres, heute verschollenes Exemplar ein Jahrzeitbuch angelegt, das zu den besterhaltenen des Kantons zählt. Mit der Aufhebung des Klosters Rüti während der Reformation fielen dessen Rechte 1525 an die Stadt Zürich. 1824 wurde die neue reformierte Kirche, eine monumentale Anlage in klassizistischem Stil, eingeweiht. Die eingangs erwähnten elf Orte gehörten zur Kirchgemeinde Uster, die überdies bis 1544 Greifensee, bis 1638 Volketswil, Hegnau, Zimikon, Kindhausen und Isikon, bis 1767 Gutenswil und bis 1770 Heusberg umfasste.

Die elf Orte werden vom ausgehenden Mittelalter an als Dorfgemeinden fassbar. Siedlungen teilweise gewerblichen Gepräges entstanden im Hoch- und Spätmittelalter unterhalb des Burghügels (1271 suburbium), in Wil und bei der Mühle Niederuster (1350 molendinum dictum die Ziegelmülj). Die Aussenhöfe entwickelten sich zu kleinen Bauerndörfern; einzelne von ihnen sind nur noch aus den Namen als Wüstungen zu erschliessen. 1668 fiel ein Drittel der Einwohner der Kirchgemeinde einem Pestzug zum Opfer. Das obere Glatttal samt Uster zählte im 18. Jahrhundert zu den Gebieten Europas mit dem höchsten Anteil an Heimindustrie; Ende des 18. Jahrhunderts dürfte dort bereits ca. die Hälfte der Bevölkerung im Baumwollgewerbe tätig gewesen sein (Kantonsmittel 26%). 1798 wurde Uster Distrikts-, 1803 und wiederum 1831 Bezirkshauptort; in der Restaurationszeit gehörte es zum Oberamt Greifensee. 1875 übersiedelte auch das Notariat von Greifensee nach Uster. Am sogenannten Ustertag, der 1830 gewaltlos die Regeneration des Kantons Zürich einleitete, hatte Uster selbst wenig Anteil; die Einwohner standen dem Unternehmen ängstlich und passiv gegenüber. Anlässlich der alljährlichen Gedenkfeier zündeten am 22. November 1832 zu diesem Anlass nach Uster gekommene Heimarbeiter aus dem Oberland die oberhalb von Oberuster gelegene mechanische Weberei Corrodi & Pfister an (Usterbrand). 1867 tagte auf dem Zimiker, einer kleinen Anhöhe, eine der vier Volksversammlungen, welche die verfassungsrechtliche Umgestaltung des Kantons im Sinn der demokratischen Bewegung 1869 einleiteten.

Der Bezirkshauptort von Norden. Aquarell und Gouache von Jakob Eggli, um 1856 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Der Bezirkshauptort von Norden. Aquarell und Gouache von Jakob Eggli, um 1856 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Im 19. Jahrhundert prägte die industrielle Revolution im Textilbereich mit mehreren Spinnereien und Webereien die wirtschaftliche Entwicklung von Uster. Eingeleitet wurde der Wandel vor allem von "Spinnerkönig" Heinrich Kunz und von Hans Heinrich Zangger. Die Wasserkraft der Aa wurde in Uster schon seit Langem von drei Mühlen mit Nebenwerken genutzt und nun in den Dienst der neuen Technik gestellt ("Millionenbach"). Zwischen Wetzikon und Niederuster entstand eines der am dichtesten industrialisierten Gebiete Europas. Nach Hochwasserkatastrophen 1876 und 1878 erfolgte bis 1890 die Korrektion des Aabachs. Die schwere Krise der Textilindustrie liess die Zahl der Arbeitskräfte in der Baumwollspinnerei bis 1901 auf wenig mehr als die Hälfte der Zahl von 1855 sinken. 1891 brach die 1862 gegründete Leihkasse Uster zusammen und wurde von der Schweizerischen Volksbank übernommen. Die architektonischen Zeugen der Industrialisierung sind seit 1985 durch den Industrielehrpfad verbunden; an die Stelle der seit 1994 nicht mehr in Uster vertretenen Textilindustrie sind Betriebe der Maschinen- und der Elektrobranche getreten, wie zum Beispiel die Zellweger Uster, die sich ab 1918 unter Jakob Heusser von einem kleinen Betrieb zu einem weltweit operierenden Unternehmen entwickelte. Dagegen verschwanden im Lauf des 20. Jahrhunderts mehrere Betriebe der Fahrrad- und Automobilindustrie wieder, die um die Jahrhundertwende entstanden waren (Turicum). Stellte der 2. Sektor 1991 noch 39% der Arbeitsplätze in der Gemeinde, so verlor Uster um die Wende zum 21. Jahrhundert seinen Charakter als Industriestadt; 2005 dominierte der 3. Sektor mit 70% der Arbeitsplätze die lokale Wirtschaftsstruktur.

1856 eröffnete die Glatttalbahn eine Bahnlinie von Uster nach Wallisellen, wo Anschluss an die NOB bestand. Schon im folgenden Jahr ging die Glatttalbahn in den Vereinigten Schweizerbahnen auf; die Bahnlinie wurde bis 1859 durch die Verlängerung über Wetzikon und Rapperswil nach Sargans und Chur zu einer wichtigen Verbindung im ostschweizerischen Eisenbahnnetz aufgewertet. Die halbrunde Lokomotivremise und das Bahnhofsgebäude aus dieser Zeit bilden ein markantes verkehrsgeschichtliches Ensemble. Von verschiedenen projektierten Querverbindungen wurde einzig die schmalspurige Strassenbahn nach Oetwil am See 1909 verwirklicht (1949 Umstellung auf Autobusbetrieb). Bis 1925 wurden die Postkutschenlinien nach Uster durch Autobuskurse ersetzt, die seither ständig ausgebaut wurden. Seit 1890 verkehren Dampfschiffe (später Motorschiffe) auf dem Greifensee. Die Umfahrung Uster als Teilstück der künftigen Oberlandautobahn A53 wurde 1988 eröffnet.

Eine Sekundarschule wurde 1834 gegründet; Bemühungen um die Einrichtung einer Mittelschule blieben im 19. und 20. Jahrhundert dagegen erfolglos. Die Kantonsschule Uster, die aus der 1974 eingerichteten und ursprünglich in Dübendorf angesiedelten Filialabteilung der Kantonsschule Zürich Oberland entstand, nahm den Lehrbetrieb 2013 auf. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts blühte ein reiches Musikleben in Uster, das später durch die Familie des Nationalrats Heinrich Grunholzer gefördert wurde. Das Wirken von Pfarrer Friedrich Salomon Vögelin in Uster führte nach einer heftigen Auseinandersetzung, aus welcher die heute noch bestehende Freie Kirche Uster hervorging, 1868 zur reformerischen Umgestaltung der Zürcher Landeskirche. Die reformierte Kirchgemeinde Greifensee vereinigte sich 1931 wieder mit derjenigen von Uster, löste sich aber 1974 infolge starken Bevölkerungswachstums erneut ab. Die Entwicklung der Textilindustrie zog in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine starke Zunahme des Ausländeranteils (1910 16%) nach sich, wobei die Zuwanderer mehrheitlich katholisch (1900 14% der Bevölkerung) waren und aus Italien stammten; 1911 wurde ein katholischer Italienerpfarrer eingesetzt. Die 1884 im neugotischen Stil erbaute katholische Kirche St. Andreas wich 1963 einem Neubau. Die 1963 errichtete katholische Kirchgemeinde umfasst auch Greifensee und Volketswil.

Die Grösse der Gemeinde machte 1889 die Einführung eines Grossen Gemeinderats (1970 umbenannt in Gemeinderat) zur Vertretung der Zivilgemeinden nötig. Wie die Exekutive (Gemeinderat, 1970 umbenannt in Stadtrat) wird er an der Urne gewählt. 1927 wurden die Zivilgemeinden abgeschafft; an die Stelle der Gemeindeversammlung trat mit Annahme der ausserordentlichen Gemeindeorganisation der zu einem vollwertigen Gemeindeparlament aufgewertete Grosse Gemeinderat. Mit der neuen Gemeindeordnung von 1969 wurde Uster zur Stadt erhoben. Ein privater Gemeindekrankenverein errichtete 1888 ein Krankenasyl, aus dem sich das heutige Bezirksspital entwickelte. 1904 entstand die Pflegeanstalt für bildungsunfähige Kinder (heute Wagerenhof), 1914 ein Altersasyl sowie 1940 ein Bürgerheim. 1967 wurde die Paul-Kläui-Bibliothek als historische Regionalbibliothek eröffnet.

Quellen und Literatur

  • StadtA Uster
  • P. Kläui, Gesch. der Gem. Uster, 1964
  • 775-1975: neue Beitr. zur Gesch. von Uster, 1976
  • Kdm ZH 3, 1978, 352-464
  • U. Pfister, Die Zürcher Fabriques, 1992
  • H.-P. Bärtschi, Industriekultur im Kt. Zürich, 1994, 96-107
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Bruno Schmid: "Uster", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.01.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000135/2014-01-14/, konsultiert am 28.03.2024.